13.11.2017

Treuwidriges Verhalten findet keinen Rechtsschutz

Die A. AG (inzwischen in Liquidation) verlegte per 2. Juli 2009 ihren statutarischen Sitz vom Kanton Luzern in den Kanton Zug, wobei eine Betriebsstätte in U., Kanton Luzern, verblieb. Für die Steuerperiode vom 1. Juli 2009 bis 30. Juni 2010 deklarierte die A. AG in Liquidation gegenüber dem Kanton Zug einen steuerbaren Reingewinn von 26'395 Fr., wies die Steuerverwaltung jedoch nicht auf die Betriebsstätte im Kanton Luzern hin.

Die Steuerverwaltung Zug veranlagte die A. AG in Liquidation dementsprechend mit Verfügung vom 30. Januar 2012. Diese Veranlagung blieb unangefochten. Im August 2014 forderte die Dienststelle Steuern des Kantons Luzern Unterlagen von der A. AG in Liquidation ein und machte am 3. Februar 2015 einen Veranlagungsvorschlag. In der Folge ersuchte die A. AG in Liquidation die Steuerverwaltung des Kantons Zug um Revision der Veranlagungsverfügung vom 30. Januar 2012, welche dieses Begehren aber mit Entscheid vom 6. März 2015 abwies. Gegen diesen Entscheid wurde wiederum kein Rechtsmittel erhoben. Die Dienststelle Steuern des Kantons Luzern veranlagte die A. AG in Liquidation am 15. Mai 2015 wie angekündigt. Sie scheidete 20% des Gewinns für Sitz und Verwaltung an den Hauptsitz in Zug aus und beliess den Restgewinn für die betriebliche Tätigkeit in U. Die A. AG in Liquidation erhob dagegen Einsprache, welche die Dienststelle jedoch am 19. August 2015 abwies. Die A. AG in Liquidation zog den Einspracheentscheid an das Kantonsgericht Luzern weiter. Mit Urteil vom 30. Juni 2016 hiess das Kantonsgericht Luzern die Beschwerde gut, soweit es darauf eingetreten ist, und veranlagte die A. AG in Liquidation neu. Dennoch erhob die A. AG in Liquidation Beschwerde an das Bundesgericht und beantragte die interkantonale Doppelbesteuerung zwischen den Kantonen Luzern und Zug sei zu beseitigen. Das Bundesgericht wies ihre Beschwerde gegen den Kanton Luzern und den Kanton Zug mit Urteil vom 17. Juli 2017 (2C_655/2016) mit nachfolgender Begründung ab.

Das Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung

Art. 127 Abs. 3 BV verbietet die interkantonale Doppelbesteuerung. Eine solche liegt laut Bundesgericht vor, wenn eine steuerpflichtige Person von zwei oder mehreren Kantonen für das gleiche Steuerobjekt und für die gleiche Zeit zu Steuern herangezogen wird (sog. aktuelle Doppelbesteuerung) oder wenn ein Kanton in Verletzung der geltenden Kollisionsnormen seine Steuerhoheit überschreitet und eine Steuer erhebt, die einem anderen Kanton zusteht (sog. virtuelle Doppelbesteuerung).

Im vorliegenden Fall wurde die A. AG in Liquidation (Beschwerdeführerin) mit der Verlegung ihres statutarischen Sitzes am 2. Juli 2009 im Kanton Zug unbeschränkt steuerpflichtig. Gleichzeitig blieb sie im Kanton Luzern beschränkt steuerpflichtig, da sie die Betriebsstätte in U. behielt. Folglich waren sowohl der Kanton Luzern wie auch der Kanton Zug befugt, in der Steuerperiode vom 1. Juli 2009 bis 30. Juni 2010 von der Beschwerdeführerin Steuern zu erheben. Jedoch wichen die Steuerausscheidungen der beiden Kantone stark voneinander ab: Der Kanton Zug nahm nur eine Ausscheidung pro rata temporis vor und beanspruchte rund 99.7 % der Aktiven für sich, während der Kanton Luzern die Ausscheidung anhand der Erwerbsfaktoren Kapital und Arbeit vornahm und unter Zuweisung eines Präzipuums von 20 % des Gewinns an den Kanton Zug, rund 7 % des Gewinns und 0 % des Kapitals für sich beanspruchte. Somit lag i.c. eindeutig eine aktuelle Doppelbesteuerung vor.

Verwirkung des Rechts zur Anfechtung einer Veranlagung

Fraglich ist hingegen, ob die A. AG in Liquidation ihr Beschwerderecht verwirkt hat, dadurch dass sie die Zuger Steuererklärung vorbehaltlos eingereicht hat, keine Steuerausscheidung vorgenommen hat und auch auf keine andere Weise zum Ausdruck gebracht hat, dass aufgrund der Sitzverlegung von Luzern nach Zug im Kanton Luzern eine beschränkte Steuerpflicht aufgrund einer Betriebsstätte verbleibt. Zudem hat die Beschwerdeführerin die Steuerrechnungen nach einer ersten Mahnung vorbehaltlos bezahlt.

Gemäss der bisherigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung verwirkt eine steuerpflichtige Person das Recht zur Anfechtung der Veranlagung eines Kantons, wenn sie ihre dortige Steuerpflicht in Kenntnis des kollidierenden Steueranspruchs eines andern Kantons vorbehaltlos anerkennt, indem sie sich etwa ausdrücklich oder stillschweigend der Veranlagung unterwirft, die Steuererklärung abgibt, auf eine Einsprache oder weitere Rechtsmittel verzichtet und den veranlagten Steuerbetrag bezahlt. Ein Teil der Lehre vertritt hingegen die Auffassung, dass es unter der Herrschaft des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) keines Verwirkungsgrundes betroffener Personen mehr bedarf, während ein anderer Teil der Lehre die Auffassung hat, dass es sich bei der vorliegenden Konstellation um eine Besonderheit des interkantonalen Doppelbesteuerungsrechts handelt, die auch unter dem BGG weiterhin Anwendung finde. Das Bundesgericht liess diese Frage im vorliegenden Entscheid jedoch offen, da sich das Vorgehen der A. AG in Liquidation sowieso als treuwidrig erwies.

Kein Rechtsschutz für treuwidriges Verhalten

Die A. AG in Liquidation brachte vor, dass sie erst mit der Veranlagungsverfügung vom Kanton Luzern vom 15. Mai 2015 von dem kollidierenden Steueranspruch zwischen dem Kanton Luzern und dem Kanton Zug gesicherte Kenntnis erlangen konnte. Das Bundesgericht beurteilte dieses Vorbringen hingegen als unglaubwürdig. Es sei nicht überzeugend, dass der Beschwerdeführerin, deren Verwaltungsratspräsident wie auch Rechtsvertreter Anwälte und diplomierte Steuerexperten sind, entgangen sein soll, die Luzerner Betriebsstätte in der Steuererklärung des Hauptsteuerdomizils zu deklarieren. Im Gegenteil entstehe eher der Eindruck, sie habe versucht, sich zumindest teilweise der Steuerpflicht zu entziehen. Somit erweist sich das Verhalten der Beschwerdeführerin als treuwidrig und findet keinen Rechtsschutz. Die A. AG in Liquidation hat die Konsequenzen der interkantonalen Doppelbesteuerung hinzunehmen.

Schlussbemerkung

Es lohnt sich die Compliance Aufgaben sauber zu planen und umzusetzen und nicht darauf zu zählen, dass wenn verschiedene Steuerbehörden betroffen sind, etwas zwischen Tisch und Bank fallen könnte. Diese Entwicklung wird sich immer mehr auch im internationalen Umfeld durchsetzen. Eine erhöhte Aufmerksamkeit bei der Ausführung und Kontrolle der Steuerpflichten ist empfehlenswert.

Haben Sie Fragen?
Autoren
:
Viktor Bucher
Tags:
Rechtsprechung
Gewinnsteuern