BGer-Urteil 9C_666/2024: Kapitalgewinn oder Erwerbseinkommen
Das Bundesgericht hatte im Urteil 9C_666/2024 über die steuerliche Qualifikation eines Aktienverkaufs durch eine Arbeitnehmerin an ihre Arbeitgeberin zu entscheiden. Im Zentrum stand die Frage, ob ein Gewinn von CHF 220'000 als steuerfreier Kapitalgewinn oder als steuerbares Erwerbseinkommen einzustufen sei. Der Entscheid bringt mehr Klarheit bei der Abgrenzung zwischen privaten Vermögensgewinnen und steuerbaren Vorteilen aus dem Arbeitsverhältnis – insbesondere bei konzerninternen Transaktionen.
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Das Bundesgericht hatte sich im Urteil 9C_666/2024 vom 26. Februar 2025 mit der Frage auseinanderzusetzen, ob der Gewinn von CHF 220'000 aus dem Weiterverkauf von Aktien – einer mit der Arbeitgeberin verbundenen Gesellschaft – durch die Arbeitnehmerin an ihre Arbeitgeberin als steuerfreier Kapitalgewinn oder als steuerbares Erwerbseinkommen zu qualifizieren sei. Der Entscheid erging im Kontext eines umstrittenen Verkaufs von Beteiligungen innerhalb einer Unternehmensgruppe. Das Urteil bringt weitere Klarheit zur Abgrenzung zwischen steuerfreiem Kapitalgewinn und steuerbarem Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit.
Sachverhalt: Beteiligungsverkäufe innerhalb einer Unternehmensgruppe
Die Beschwerdeführerin A., wohnhaft im Kanton Schaffhausen, war Arbeitnehmerin der B. AG. Die B. AG war zusammen mit D. zu je 50% an der B. SA. beteiligt (siehe Visualisierung). Ende 2016 verkaufte D. 20 Aktien der B. S.A. (entspricht 10% des Aktienkapitals) an A. zu einem Kaufpreis von total CHF 220'000. Rund ein halbes Jahr später, am 29. Juni 2017, verkaufte A. diese Aktien für CHF 440'000 an ihre Arbeitgeberin B. AG weiter.

Streitpunkt: Kapitalgewinn oder Erwerbseinkommen?
Strittig war im vorliegenden Urteil, ob die Differenz des ursprünglichen Verkaufspreises und des Aktienweiterverkaufs im Umfang von CHF 220'000 bei der Beschwerdeführerin A. als steuerbares Erwerbseinkommen aufzurechnen ist oder ob es sich um einen steuerfreien Kapitalgewinn handelt.
Erwägungen des Bundesgerichts
Steuerrechtliche Grundlagen: Abgrenzung von Einkommen und Kapitalgewinn
Der Einkommensbegriff ist im schweizerischen Steuerrecht sowohl auf horizontaler als auch vertikaler Ebene harmonisiert (Art 7 Abs. 1 StHG; Art. 16 ff. DBG) und umfasst alle wiederkehrenden und einmaligen Einkünfte, die nicht steuerbefreit sind (Art. 7 Abs. 1 StHG; Art. 16 Abs. 1 DBG).
Steuerbar sind insbesondere alle Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit, d.h. aus privatrechtlichem oder öffentlich-rechtlichem Arbeitsverhältnis (Art. 7 Abs. 1 StHG; Art. 17 Abs. 1 DBG). Es spielt dabei keine Rolle, ob die Vergütung in Geld oder in anderen Formen erfolgt oder ob die Entlohnung für den Hauptberuf oder eine Nebentätigkeit bestimmt ist. Auch Leistungen von Dritten können dem Arbeitseinkommen zugerechnet werden, wenn sie der steuerpflichtigen Person in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis ausgerichtet worden sind.
Eine Leistung gilt als Einkunft aus unselbständiger Erwerbstätigkeit, wenn ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Steuerpflichtigen und der erhaltenen Leistung besteht. Dies gilt auch für den Erwerb von Aktien zu einem Vorzugspreis, wenn die Aktien als Gegenleistung für eine erbrachte oder zukünftige Arbeitsleistung dienen. Entscheidend ist der Grund für die Vermögensverschiebung, nicht ob die Aktien vom Arbeitgeber oder von Dritten stammen.
Von der Besteuerung ausgenommen sind demgegenüber die Kapitalgewinne aus der Veräusserung von (beweglichem) Privatvermögen (Art. 7 Abs. 4 lit. b StHG; Art. 16 Abs. 3 DBG).
Vorinstanz: Steuerbarer Vorteil aus dem Arbeitsverhältnis
Das Obergericht Schaffhausen kam zum Schluss, dass der Betrag von CHF 220'000 als steuerbares Erwerbseinkommen zu qualifizieren sei. Die Verdopplung des Verkaufspreises nach nur rund einem halben Jahr liesse sich nur dadurch erklären, dass der Betrag von CHF 220’000 der Entlöhnung der Beschwerdeführerin für ihre Leistungen als Arbeitnehmerin diente. Der Kauf und Verkauf der Aktien zu einem Aufpreis sollte der Beschwerdeführerin ermöglichen, gegenüber den Steuerbehörden einen steuerfreien Kapitalgewinn geltend zu machen. Dies führt bei den Beteiligten (gegenüber einer herkömmlichen Lohnauszahlung) zu erheblichen steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Vorteilen. Aufgrund der gesamten Umstände sei auch davon auszugehen, dass sich die Vertragsparteien bereits beim Aktienkauf im Dezember 2016 darauf geeinigt hätten, dass A. die Aktien gewinnbringend an die B. AG verkaufen wird (d.h. bereits bestehende Rückkaufsabsicht).
Bundesgericht: Bestätigung der Einkommensteuerpflicht
Das Bundesgericht bestätigt das Urteil des Obergerichts Schaffhausen und qualifiziert die zu beurteilenden CHF 220'000 als Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit (Art. 7 Abs. 1 StHG; Art. 17 Abs. 1 DBG). Der wirtschaftliche Zusammenhang zur Berufstätigkeit war hier offensichtlich, da die B. AG der Beschwerdeführerin eine sichere Rückverkaufsmöglichkeit mit Gewinn garantiert hat.
Einordnung: Vorsicht bei Mitarbeiterbeteiligungen und Rückkaufsmodellen
Das Urteil schärft die Abgrenzung zwischen steuerfreiem Kapitalgewinn und steuerbarem Erwerbseinkommen im Zusammenhang mit Aktiengewinnen innerhalb einer Unternehmensgruppe. Es unterstreicht, dass steuerfreie private Kapitalgewinne im Spannungsverhältnis zum Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 127 Abs. 2 BV) sowie zum Reinvermögenszugangsprinzip stehen. Entsprechend sind Transaktionen, die auf private Kapitalgewinne abzielen, mit besonderer Sorgfalt zu planen.