Abgrenzung von Lohn und Dividende im Schweizer Sozialversicherungsrecht
Die Abgrenzung zwischen Lohn und Dividende stellt besonders in inhabergeführten Unternehmen eine zentrale Herausforderung dar. Sie beeinflusst direkt die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge und kann bei falscher Einschätzung zu erheblichen Nachforderungen führen. Doch die Grenze zwischen Erwerbseinkommen und Kapitalertrag ist oft fliessend. Dieser Beitrag zeigt die wesentlichen Grundlagen auf.
Sie unseren Newsletter
Kurzfassung des Beitrages
Die Abgrenzung zwischen Lohn und Dividende ist im Sozialversicherungsrecht entscheidend, da nur Erwerbseinkommen beitragspflichtig ist. Die Ausgleichskassen sind zuständig für die wirtschaftliche Qualifikation und prüfen, ob ein angemessener Lohn bezahlt und die Dividende nicht überhöht ist. Eine Umqualifikation ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Steuerbehörden beurteilen die Qualifikation eigenständig, folgen aber oft der sozialversicherungsrechtlichen Einstufung. Eine sorgfältige Lohn- und Dividendenpolitik verhindert Nachforderungen.
Bedeutung der Abgrenzung von Lohn und Dividende im Sozialversicherungsrecht
Die richtige Abgrenzung zwischen Lohn und Dividende ist ein zentrales Thema für Inhaberinnen und Inhaber von Kapitalgesellschaften in der Schweiz. Sie hat direkte Auswirkungen auf die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge (AHV/IV/EO/ALV) und kann bei falscher Handhabung zu erheblichen Nachforderungen durch die Sozialversicherungen führen. Besonders in inhabergeführten Unternehmen stellt sich häufig die Frage, welcher Teil des Gewinns als massgebender Lohn und welcher als Kapitalertrag gilt.
Sozialversicherungsbeiträge werden ausschliesslich auf Erwerbseinkommen erhoben. Dazu zählen Löhne und Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit. Kapitalerträge, insbesondere Dividenden, gehören grundsätzlich nicht zum beitragspflichtigen Einkommen. Die Grenze zwischen diesen beiden Einkommensarten ist jedoch oft fliessend. Gerade bei Gesellschafterinnen und Gesellschaftern, die zugleich operativ im Unternehmen tätig sind, kommt es regelmässig zu Unsicherheiten.
Ob eine Zahlung als Erwerbseinkommen oder Kapitalertrag (sprich: Dividende) zu qualifizieren ist, hängt von ihrer wirtschaftlichen Verknüpfung ab. Die Bezeichnung in der Buchhaltung oder in der Steuerveranlagung ist für die Ausgleichskassen nicht entscheidend. Auch Ausschüttungen aus dem Reingewinn einer Aktiengesellschaft können beitragspflichtiger Lohn sein, wenn sie durch das Arbeitsverhältnis gerechtfertigt sind.
Aufgrund gesunkener Gewinnsteuersätze für Kapitalgesellschaften und des fehlenden Renteneffekts hoher Löhne besteht für ertragsstarke, inhabergeführte Unternehmen heute aus gesamtheitlicher Abgabesicht ein Anreiz, Gewinne eher in Form von Dividenden auszuschütten als die Löhne zu erhöhen.
Praxis und Rechtsprechung
Bei Personen, die sowohl Anteilsinhaberinnen oder Anteilsinhaber als auch Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer einer Gesellschaft sind, gestaltet sich die Abgrenzung besonders anspruchsvoll. Es kann vorkommen, dass Zahlungen als Dividenden bezeichnet werden, obwohl sie faktisch ein Entgelt für die geleistete Arbeit darstellen. In solchen Fällen können die Ausgleichskassen eine Umqualifizierung von Dividenden in Lohn vornehmen, was zusätzliche Sozialversicherungsabgaben zur Folge hat.
Das Bundesgericht hat mehrfach bestätigt, dass es grundsätzlich Sache der Ausgleichskassen ist, diese Beurteilung selbstständig vorzunehmen. Gleichzeitig misst es der steuerlichen Qualifikation grosses Gewicht bei. Eine Abweichung von der steuerlichen Aufteilung zwischen Lohn und Dividende ist gemäss Rechtsprechung nur zulässig, wenn einerseits kein oder ein unangemessen tiefer Lohn bezahlt und andererseits ein offensichtlich überhöhter Gewinn ausgeschüttet wird. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein. Eine Aufrechnung darf höchstens bis zur Höhe eines branchenüblichen Gehalts erfolgen. Diese Rechtsprechung wurde 2019 erneut bestätigt (Urteil des Bundesgerichts 9C_4/2018, 9C_18/2018 vom 24. Januar 2019).
Kriterien der Ausgleichskassen für die Beurteilung
Zur Beurteilung, ob ein Lohn als angemessen gilt, ziehen die Ausgleichskassen verschiedene Kriterien heran. Sie berücksichtigen insbesondere die Art der Tätigkeit und den damit verbundenen Verantwortungsgrad, die Ausbildung, Berufserfahrung und Branchenkenntnisse der versicherten Person sowie den Vergleich mit Löhnen von Angestellten ohne Beteiligung. Ebenfalls in die Beurteilung einfliessen können die Entwicklung der Löhne im Unternehmen und die Einordnung der Funktion, etwa ob es sich um eine operative Führungsaufgabe oder um die Verwaltung einer Holdinggesellschaft handelt. Als Orientierung dient den Ausgleichskassen der Lohnrechner Salarium des Bundesamts für Statistik (BFS). Er ersetzt jedoch keine individuelle Prüfung, da diese Statistik auf Durchschnittswerten beruht.
Das Bundesgericht selbst nennt keine fixe Grenze, ab wann eine Dividende als überhöht gilt. In den Weisungen des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) wird jedoch festgehalten, dass eine Dividende als unverhältnismässig hoch gilt, wenn sie zehn Prozent oder mehr des Steuerwerts der Beteiligungsrechte beträgt. Da die kantonalen Bewertungsmethoden unterschiedlich sind und das Kreisschreiben der SSK Nr. 28 zur Bewertung von Wertpapieren ohne Kurswert für die Vermögenssteuer lediglich eine Empfehlung darstellt, kann die Anwendung dieser Grenze von Kanton zu Kanton variieren. Eine Dividende kann somit in einem Kanton als überhöht gelten, während sie in einem anderen noch als zulässig betrachtet wird.
Prüfungssystematik der Ausgleichskassen bei hohen Dividenden
Die Prüfung durch die Ausgleichskassen erfolgt in zwei Schritten. Zuerst wird geprüft, ob der ausgeschüttete Gewinn im Verhältnis zum Steuerwert der Beteiligung zehn Prozent übersteigt. Wenn dies nicht der Fall ist, wird keine weitere Untersuchung vorgenommen. Liegt die Ausschüttung darüber, wird der tatsächlich bezahlte Lohn mit einem branchenüblichen Vergleichslohn verglichen. Nur wenn der Lohn unangemessen tief ist, erfolgt eine Umqualifizierung in beitragspflichtigen Lohn.
Eine Umqualifizierung ist ausgeschlossen, wenn der ausbezahlte Lohn als angemessen gilt. Dies trifft auch dann zu, wenn gleichzeitig eine hohe Dividende ausgeschüttet wird. In gewissen Fällen wird in der Praxis auch akzeptiert, dass Dividenden aus Gesellschaften ohne Angestellte bzw. ohne Lohnaufwand nicht umqualifiziert werden, sofern die Beteiligten bei einem anderen Arbeitgeber einen marktgerechten Lohn beziehen. Der Ansatz der Ausgleichskassen bleibt insofern schematisch.
Die Ermittlung des branchenüblichen Lohns ist für die Ausgleichskassen anspruchsvoll. Besonders bei Mehrfachfunktionen oder fehlenden Vergleichspersonen ist die Beurteilung schwierig. Zudem melden Arbeitgeber nur die Löhne, nicht aber ausgeschüttete Dividenden. Eine Kontrolle erfolgt regelmässig erst im Rahmen einer Arbeitgeberkontrolle und entsprechend mit erheblicher zeitlicher Verzögerung. Wird dabei eine überhöhte Dividende festgestellt, kann die Ausgleichskasse bis zur Höhe eines branchenüblichen Gehalts Sozialversicherungsbeiträge nachfordern.
Steuerliche Behandlung nach einer sozialversicherungsrechtlichen Umqualifikation
Eine von der Ausgleichskasse vorgenommene Umqualifikation einer Dividende in Lohn ist für die Steuerbehörden grundsätzlich nicht bindend, da die steuerliche Qualifikation eigenständig erfolgt. Nehmen die Sozialversicherungsbehörden jedoch eine Umqualifizierung von ausgeschüttetem Gewinn in Lohn vor, wird diese für die Zwecke der Gewinn- und Einkommensteuern regelmässig nachvollzogen, sofern sowohl das Kapitalunternehmen als auch die beteiligte Person noch nicht definitiv steuerlich veranlagt sind.
Fazit
Die Abgrenzung zwischen Lohn und Dividende im Sozialversicherungsrecht ist anspruchsvoll. In vielen Fällen werden überhöhte Dividenden, wenn überhaupt, erst spät erkannt. Dies führt einerseits zu erheblicher Rechtsunsicherheit für die betroffenen Personen und andererseits zu hohen Kosten, da ein steuerlicher Nachvollzug oft nicht mehr möglich ist und dadurch eine Mehrfachbelastung entstehen kann. Eine frühzeitige Überprüfung der Lohn- und Dividendenpolitik durch Fachpersonen ist daher empfehlenswert. So lassen sich spätere Beitragsnachforderungen vermeiden und Planungssicherheit schaffen.