Bundesgerichtsurteil zur Besteuerung von «Irrevocable Fixed Interest Trusts» in der Schweiz
Das Bundesgerichtsurteil 9C_677/2024 präzisiert die vermögenssteuerliche Behandlung von «Irrevocable Fixed Interest Trusts». Entscheidend ist, ob der Anteil der Begünstigten am Trust-Vermögen bestimmbar oder eine Kapitalisierung der Erträge vorzunehmen ist.
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Zusammenfassung des Beitrags
Das Bundesgerichtsurteil 9C_677/2024 schafft Klarheit zur Vermögensbesteuerung von «Irrevocable Fixed Interest Trusts» in der Schweiz. Ist der Anteil der Begünstigten am Trust-Vermögen nicht eindeutig bestimmbar, soll die Besteuerung auf dem kapitalisierten Ertrag basieren. Nur wenn die Begünstigtenrechte klar definiert sind, wird das Trust-Vermögen nach festen Quoten zugeordnet. Das Gericht bestätigt zudem, dass die vom «Settlor» gewählte Struktur grundsätzlich zu respektieren ist, sofern kein Gestaltungsmissbrauch vorliegt. Der Entscheid zeigt, wie zentral die konkrete Ausgestaltung der Begünstigtenrechte für die steuerliche Behandlung ausländischen Trusts ist.
Einleitung
Hinsichtlich der steuerlichen Einordnung von Trusts besteht in der Schweiz seit 2007 dank dem Kreisschreiben der SSK Nr. 30 eine fundierte Praxis, welche Rechts- und Planungssicherheit für die Steuerpflichtigen schafft. Ein aktuelles Bundesgerichtsurteil (Urteil 9C_677/2024 vom 8. September 2025) bringt Klarheit, wie das Kreisschreiben in der Praxis betreffend die sogenannten «Irrevocable Fixed Interest Trusts» angewendet werden muss. Es legt fest, wie diese für in der Schweiz steuerpflichtige Begünstigte vermögenssteuerlich zu behandeln sind.
Hintergrund: Trusts und Vermögenssteuern
Ein Trust ist ein aus der angelsächsischen Rechtsordnung stammendes Rechtsverhältnis, bei dem der Errichter (englisch: Settlor) Vermögenswerte auf eine oder mehrere Personen (englisch: Trustees) überträgt, die diese zugunsten von Begünstigten (englisch: Beneficiaries) verwalten. In der Schweiz werden Trusts grundsätzlich anerkannt, auch wenn sie weder im Zivil- noch im Steuerrecht eigens geregelt sind.
Der Trust selbst ist gemäss dem Kreisschreiben der SSK Nr. 30 in der Schweiz weder unbeschränkt noch beschränkt steuerpflichtig. Auch der «Trustee» wird nach dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht steuerpflichtig für das Trust-Vermögen, da er trotz formellem Eigentum nicht am Vermögen berechtigt ist. Daraus ergibt sich, dass die Vermögenswerte und Einkünfte des Trusts entweder den «Beneficiaries» oder dem «Settlor» zugerechnet werden.
Bei einem «Irrevocable Fixed Interest Trust» entledigt sich der «Settlor» definitiv seines Vermögens. Der Kreis der Begünstigten sowie Umfang und Zeitpunkt der Zuwendungen sind in der Trust-Urkunde festgelegt, womit den «Beneficiaries» ein klagbarer Vermögensanspruch zusteht. Gemäss Ziffer 5.2.2 des KS-SSK Nr. 30 werden die «Beneficiaries» steuerlich Nutzniessern gleichgestellt, weshalb das Trust-Vermögen und dessen Erträge ihnen zugerechnet und sie für ihren Anteil am Trust-Vermögen der Vermögenssteuer unterworfen werden. Allfällige Kapitalgewinne sind, sofern der Anteil im Privatvermögen gehalten wird, nach Art. 16 Abs. 3 DBG und Art. 7 Abs. 4 lit. b StHG steuerfrei. Ausgeschüttete Trust-Erträge unterliegen grundsätzlich der Einkommenssteuer.
Die Kernfrage des Bundesgerichtsentscheids
Im Urteil 9C_677/2024 hatte das Bundesgericht zu beurteilen, wie das Vermögen eines US-amerikanischen Familien-Trusts mit mehreren Begünstigten, darunter der Steuerpflichtige und sein Bruder sowie deren mögliche Nachkommen, steuerlich zu behandeln ist. Unbestritten war die Qualifizierung des Trusts als «Irrevocable Fixed Interest Trust». Die streitige Frage hingegen war, ob das Trust-Vermögen zur Festsetzung der Vermögenssteuer des Steuerpflichtigen mit Ansässigkeit in der Schweiz kapitalisiert oder anhand der Vermögens-/Trust-Quote jeweils hälftig dem Steuerpflichtigen und seinem Bruder steuerlich zuzurechnen ist.
Die Entscheidung des Bundesgerichts
Das Bundesgericht hält fest, dass die Besteuerung auf Grundlage der kapitalisierten Erträge (z.B. mit dem Kapitalisierungssatz gemäss Kursliste ESTV) dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit am besten entspricht, solange der Anteil der «Beneficiaries» am Trust-Vermögen nicht genau bestimmt werden kann.
Im vorliegenden Fall hat das Bundesgericht die Auffassung der Vorinstanz bestätigt, wonach der Anteil des Steuerpflichtigen am Trust-Vermögen nicht bestimmbar ist. Insbesondere da der «Settlor» nicht nur den Pflichtigen selbst und dessen Bruder, sondern auch deren (allfällige) Nachkommen als Direktbegünstigte aus dem Trust vorgesehen hat und die Auszahlungstatbestände flexibel gestaltet sind, rechtfertige sich eine hälftige Aufteilung des Gesamtvermögens des Trusts auf den Steuerpflichtigen und seinen Bruder nicht. Dies würde nicht der tatsächlichen Verfügungsmacht entsprechen, da dem Steuerpflichtigen trotz seiner Rolle als «Trustee» nur beschränkte Verfügungsmacht über einen Teil des Trust-Vermögens zukommt. Dadurch rechtfertigt sich gemäss dem Bundesgericht die Vermögensbesteuerung auf dem kapitalisierten Wert im konkreten Fall.
Auswirkungen des Bundesgerichtsurteils für die Steuerpraxis
Das Urteil verdeutlicht, dass die Kapitalisierung der Erträge ein geeignetes Mittel ist, um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Begünstigten zu erfassen, wenn deren individueller Anteil am Trust-Vermögen nicht bestimmbar ist (z.B. offener Kreis der «Beneficiaries»). Liegt hingegen eine volle Verfügungsmacht der «Beneficiaries» vor (etwa wenn Ausschüttungen quotenmässig fixiert sind) und ist die individuelle Zuteilung eindeutig bestimmt, so erfolgt regelmässig eine Zurechnung des Trust-Vermögens nach Massgabe der jeweiligen Vermögens- bzw. Trust-Quote.
Ausländische Trusts werden in der Schweiz grundsätzlich anerkannt und die konkret gewählten Ausgestaltungsmöglichkeiten des Trusts sind zu akzeptieren, soweit sie nicht zum Zweck der Steuerumgehung gewählt wurden oder ein anderweitiger Gestaltungsmissbrauch vorliegt. Sieht der «Settlor» in der Trust-Urkunde eine flexible Ausgestaltung von Begünstigtenrechten vor, so muss dies respektiert werden. Eine anteilsmässige Aufteilung kann in diesem Fall nicht erfolgen, da eine starre Zuordnung gerade nicht der Intention des «Settlors» entspricht. Vielmehr entspricht die Kapitalisierung der Erträge der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Hinsichtlich des massgebenden Kapitalisierungssatzes ist das Gericht offen. In der Praxis kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Behörden sich an den von der ESTV publizierten Kapitalisierungssätzen orientieren werden.
Für Steuerpflichtige, Treuhänder und Berater zeigt dieses Urteil deutlich, dass bei ausländischen Trusts die konkrete Ausgestaltung der Begünstigtenrechte entscheidend für die steuerliche Behandlung in der Schweiz ist. Eine sorgfältige Prüfung der Trust-Urkunde und der wirtschaftlichen Verhältnisse ist unerlässlich, um ungewollte steuerliche Konsequenzen zu vermeiden. Wo der Anteil der «Beneficiaries» am Trust-Vermögen nicht klar bestimmbar ist, wird regelmässig die Kapitalisierung der Erträge als sachgerechte Bemessungsgrundlage heranzuziehen sein. In der Praxis erfolgt die steuerliche Einordnung von Trusts in der Schweiz zudem häufig im Rahmen einer individuellen Abstimmung mit den Steuerbehörden (Ruling).