Kapitaleinlageprinzip bei Dividenden aus dem Ausland

A. (Beschwerdeführer) deklarierte in seiner Steuererklärung 2012 den Betrag von 14'677.45 Fr. als steuerbare Dividende aus seiner Beteiligung an der X. AG mit Sitz in Deutschland. Er deklarierte hingegen nicht die von der X. AG am 14. Mai 2012 und am 8. November 2012 an ihn ausgeschütteten Dividenden, welche aus dem steuerlichen Einlagekonto der Gesellschaft ausgeschüttet wurden.

Mit der Veranlagung vom 20. Mai 2014 unterwarf die Steuerkommission U. hingegen sämtliche von der X. AG an A. ausgeschütteten Dividenden in der Höhe von insgesamt 118'492.25 Fr. als steuerbaren Ertrag aus beweglichem Vermögen der Einkommenssteuer. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 3. Juli 2015 fest. Auch das Spezialverwaltungsgericht des Kantons Aargau wies den Rekurs von A. ab. Daraufhin erhob A. Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, welches diese wiederum mit Urteil vom 30. November 2016 abwies. A. gelangte mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht. Mit Urteil vom 17. Juli 2017 (2C_69/2017) wies das Bundesgericht seine Beschwerde mit nachfolgender Begründung ab.

Akteneinsichtsrecht

A. machte in einem ersten Punkt geltend, dass sein Akteneinsichtsrecht verletzt wurde. Der Beschwerdeführer hat in einem Beweisantrag vor der Vorinstanz verlangt, dass ihm sämtliche von der X. AG bei der ESTV eingereichte Dokumente zur Verfügung zu stellen sind und hatte auch direkt bei der ESTV Einsicht in Dokumente verlangt, welche die X. AG betrafen. Die ESTV verweigerte ihm die Akteneinsicht hingegen mit Hinweis auf das Steuergeheimnis und auch die Vorinstanz trat auf sein Begehren nicht ein. Das Bundesgericht befand die Rüge auch als unbegründet. Das Akteneinsichtsrecht als Teilgehalt des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) bezieht sich grundsätzlich nur auf Akten, welche von der Behörde im jeweiligen Verfahren beigezogen werden und unterliegt zudem Einschränkungen (Art. 114 Abs. 2 DBG). Die Akten, welche der Beschwerdeführer anbegehrt, sind jedoch im Verhältnis zwischen der ESTV und der X. AG angefallen und so ist A. die Drittperson, der gemäss Art. 110 Abs. 1 DBG keinen Einblick in diese Akten gewährt werden darf, es sei denn, im Bundesrecht wäre eine gesetzliche Grundlage vorhanden (Art. 110 Abs. 2 DBG) oder der Geheimnisherr/die Geheimnisherrin (hier die X. AG) würde ausdrücklich seine/ihre Zustimmung zur Auskunftserteilung geben. Beides ist in casu nicht der Fall. A. hätte als Aktionär der X. AG diese Beweismittel selbst beschaffen können und müssen, um sie ins Verfahren einzubringen.

Kapitaleinlageprinzip

Steuerbar sind die Erträge aus beweglichen Vermögen, wie u.a. Dividenden, Gewinnanteile und geldwerte Vorteile aus Beteiligungen aller Art (Art. 20 Abs. 1 DBG und Art. 7 Abs. 1 StHG). Hingegen unterliegen Rückzahlungen von Kapitaleinlagen nicht der Einkommenssteuer, weil es sich dabei nicht um Vermögensertrag im Sinne von Art. 7 Abs. 1 StHG handelt. Gemäss dem Kapitaleinlageprinzip sind nicht nur das einbezahlte Aktienkapital, sondern jede nachweisbar von den Aktionären getätigte Kapitaleinlage steuerfrei rückzahlbar (Art. 20 Abs. 3 DBG und Art. 7b StHG). Das Kapitaleinlageprinzip soll sicherstellen, dass Kapitaleinlagen der Beteiligten in die Reserven bei deren Rückfluss nicht mit der Einkommenssteuer erfasst werden. Die Ausschüttung von durch die Gesellschaft selbst erwirtschafteten Gewinnreserven sollen aber weiterhin der Einkommenssteuer unterliegen. Diese Regelung gilt nicht nur für inländische Gesellschaften, sondern auch bei Rückzahlung von Kapitaleinlagen durch ausländische Gesellschaften. Dabei hat die steuerpflichtige Person, die sich auf das Kapitaleinlageprinzip beruft, den Bestand entsprechender Kapitaleinlagereserven zu beweisen, weil es sich um eine steueraufhebende Tatsache handelt. Bei ausländischen Gesellschaften genügt hingegen jedes Beweisstück, anhand dessen die Rückzahlung von Kapitaleinlagen nachgewiesen werden kann.

Deutsches Einlagekonto ist dem schweizerischen Konto «Reserven aus Kapitaleinlagen» nicht gleichzustellen

Der Beschwerdeführer macht geltend, dass es sich bei den streitigen Auszahlungen nicht um eigentliche steuerbare Dividenden handelt, weil die X. AG schon seit mehreren Jahren nur Verluste schreibe. Die «Spezial-Dividenden» würden von einem ausserhalb der Bilanz geführten «steuerlichen Einlagekonto» stammen, welches die X. AG durch den Verkauf von Liegenschaften, Maschinen und Tochtergesellschaften finanzierte. Die Dividenden wurden also nicht aus einem Betriebsgewinn ausbezahlt, sondern ausschliesslich von Stamm- und Kapitalreserven aus dem «steuerlichen Einlagekonto».

Das Bundesgericht folgte dieser Argumentation hingegen nicht. Das vorliegende «steuerliche Einlagekonto» ist gemäss dem deutschen Körperschaftssteuergesetz (KStG) dem Konto «Reserven aus Kapitaleinlagen», welches gemäss Art. 959 Abs. 2 Ziff. 3 lit. b OR in der Handelsbilanz gesondert auszuweisen ist, nicht gleichzustellen, da das deutsche Einlagekonto einen anderen Zweck verfolgt als das Konto «Reserven aus Kapitaleinlagen» nach schweizerischem Recht. Nur offene und von den Inhabern direkt geleistete Kapitaleinlagen gelten als qualifizierte Kapitaleinlagen im Sinne von Art. 20 Abs. 3 DBG und Art. 7b StHG. Auch wenn also die Ausschüttungen der X. AG an den Beschwerdeführer nach deutschem Recht von Steuern befreit sein sollten, sind sie gemäss dem in casu massgebenden schweizerischen Recht als Vermögensertrag und nicht als Kapitalrückzahlung zu qualifizieren. Des Weiteren hat B. von der X. AG in einem E-Mail vom 25. Oktober 2013 gegenüber der ESTV bestätigt, dass die Dividendenausschüttungen vom Mai und November 2012 aus deutscher Sicht gemäss deutschem Handelsrecht aus dem Gewinnvortrag kommen und es sich somit um normale Dividenden handelt. Diese Aussage stimmt auch mit den unveränderten Kapitalbeständen der X. AG überein, die dem Formular 170 der ESTV zu entnehmen sind. A. gelingt es somit nicht den Nachweis zu bringen, dass die Ausschüttungen vom 14. Mai 2012 und vom 8. November 2012 den Reserven aus Kapitaleinlagen entstammen. Demzufolge sind sie nicht als steuerfreie Rückzahlung einer Kapitaleinlage, sondern als steuerbare Dividende zu qualifizieren.

Schlussbemerkung

Grundsätzlich gilt die Regelung von Art. 20 Abs. 3 DBG und Art. 7 Abs. 1 StHG, bekannt unter dem Begriff Kapitaleinlageprinzip, auch für Erträge von Beteiligungen im Ausland. Nach der Einführung des Kapitaleinlageprinzips mit den daraus erwachsenden steuerlichen Begünstigungen stellt sich im internationalen Kontext die Frage, wie diese Bestimmungen bei ausländischen Beteiligungen angewendet bzw. welche handelsrechtlichen Vorgänge bei ausländischen Gesellschaften dem Kapitaleinlageprinzip gleichgestellt werden. Im Zusammenhang mit dem deutschen Recht wurde die Anwendung im vorliegenden Fall beim Begriff «steuerliche Einlage» verweigert. Das Bundesgerichtsurteil zeigt, dass die Anwendung des Kapitaleinlageprinzips nur möglich ist, wenn der ausländische Ertrag aus einem dem schweizerischen Recht vergleichbaren Einlagevorgang stammt und blosse formelle Ähnlichkeiten für die Beanspruchung des Steuervorteils von Art. 20 Abs. 3 DBG bzw. Art. 7 Abs. 1 StHG nicht ausreichen. Ebenfalls nicht massgebend ist die Behandlung einer Ausschüttung durch die ausländischen Steuerbehörden. Für die Beurteilung einer Ausschüttung einer ausländischen Gesellschaft ist einzig das schweizerische Steuerrecht massgebend.