23.3.2018

Verwirkung des Rückerstattungsanspruchs (altes Recht)

Seit dem 1. Januar 2019 ist der neue Art. 23 VStG in Kraft, welcher die Voraussetzungen des Rückerstattungsanspruchs der Verrechnungssteuer grundlegend verändert hat. Für Verrechnungssteuerforderungen, welche vor dem 1. Januar 2014 entstanden sind, gilt aber noch altes Recht bzw. die alte Rechtsprechung (siehe 2C_397/2017 vom 9. Mai 2019), welche im Folgenden erläutert wird.

Im Bundesgerichtsentscheid 2C_87/2018 vom 6. Februar 2018 geht es um ein Ehepaar, welches in der Steuererklärung 2014 zwar ihre Beteiligung an der damaligen C. AG angab, aber nicht die an sie von der C. AG ausgeschüttete Dividende. Als sich die Steuerverwaltung des Kantons Bern im Zuge der Bearbeitung der Steuererklärung 2014 bei den Steuerpflichten erkundigte, schrieben diese in ihrem Email vom 23. August 2016, dass die Deklaration der Dividende versehentlich unterblieben sei. Die Steuerverwaltung des Kantons Bern sowie die Steuerrekurskommission des Kantons Bern erachteten den Rückerstattungsanspruch der Verrechnungssteuer deshalb als verwirkt.

Im Bundesgerichtsentscheid 2C_104/2018 vom 19. Februar 2018 hat die Steuerpflichtige A. in ihrer Steuererklärung 2014 ebenfalls zwar ihre Beteiligung, nicht aber die von der B. AG bezogene Dividende von 50'000 Fr. deklariert. Sie legte der Steuererklärung auch keine Unterlagen bei, aus welchen die Dividende hervorgegangen wäre. Nachdem sich das Steueramt des Kantons Zürich sich im Zuge der Bearbeitung der Steuerklärung nach der Dividende erkundigte, liess die Steuerpflichtige dem Steueramt das Formular 103 zu kommen, welches aber das Geschäftsjahr 2014 (mit Fälligkeit der Dividende in der Steuerperiode 2015) betraf. Das Steueramt des Kantons Zürich sowie das Steuerrekursgericht des Kantons Zürich erachteten den Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer der Steuerpflichtigen auch hier als verwirkt.

Im Bundesgerichtsentscheid 2C_117/2018 vom 5. März 2018 deklarierte ein Ehepaar ihre Vermögenswerte und Erträge in ihrer Steuererklärung 2014 und machten gleichzeitig einen die Verrechnungssteuer betreffenden Rückerstattungsanspruch von 147'080.54 Fr. geltend, legten der Steuererklärung aber ein unvollständiges Steuerverzeichnis der Deutschen Bank bei, welches nur den Zeitraum vom 1. August bis zum 31. Dezember 2014 abbildete. Erst nach Aufforderung durch das kantonale Steueramt Zürich im Rahmen der Veranlagungsarbeiten, reichten die Eheleute ein den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Juli 2014 umfassendes Steuerverzeichnis nach. Dabei stellte das kantonale Steueramt Zürich fest, dass verrechnungssteuerbelastete Erträge von 92'404.44 Fr. (Verrechnungssteuer = 32'341.55 Fr.) undeklariert geblieben waren. In der Folge setzte das kantonale Steueramt den Verrechnungssteuerrückerstattungsanspruch auf 147'080.50 Fr. fest, verweigerte aber den Anspruch auf die 32'341.55 Fr. Auch das Steuerrekursgericht des Kantons Zürich bejahte dieses Vorgehen.

Spontane Erst- oder Nachmeldung verlangt

Das Bundesgericht gab den kantonalen Steuerbehörden in allen drei Fällen recht und wies die Beschwerden der Steuerpflichtigen ab. Bei der Anwendung und Auslegung von Art. 23 VStG halte man weiterhin an der langjährigen Praxis fest: Der Anspruch einer natürlichen Person auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer ist verwirkt, wenn die steuerpflichtige Person die verrechnungssteuerbelasteten Einkünfte nicht spontan in der nächstfolgenden Steuerklärung nach Fälligkeit der Leistung deklariert oder aber zumindest die eingereichte Steuererklärung spontan so frühzeitig ergänzt, dass die Einkünfte von der Veranlagungsbehörde noch vor der definitiven Veranlagung berücksichtigt werden können. Verlangt wird durch die direktsteuerliche Mitwirkungspflicht somit eine spontane Erstmeldung im Rahmen der Steuererklärung oder zumindest eine spontane Nachmeldung. Erfolgt die Deklaration hingegen erst aufgrund einer Intervention der Veranlagungsbehörde, kann den Steuerpflichtigen zurecht pflichtwidrige Unvorsichtigkeit oder zumindest fahrlässiges Vorgehen vorgeworfen werden, was reicht, um den Anspruch auf Rückerstattung abzuweisen.

Keine Untersuchungspflicht der Steuerbehörden

In allen drei Urteilen versuchten die Steuerpflichtigen mithilfe des Bundesgerichtsentscheids 2C_637/2016 vom 17. März 2017 zu argumentieren, dass bei geringem Abklärungsaufwand eine Untersuchungspflicht der Veranlagungsbehörde bestehe, welche die Verwirkung zurückdränge. Das Bundesgericht verneinte dies aber in den vorerwähnten Fällen klar. Im Urteil 2C_637/2016 sei entscheidend gewesen, dass es der Veranlagungsbehörde aufgrund einer der Steuererklärung beiliegenden Unterlage ohne weiteres möglich war, auf Bestand und Höhe der Dividende zu schliessen. In 2C_87/2018 und 2C_104/2018 wurden aber keine Unterlagen der Steuererklärung beigelegt und in 2C_117/2018 wurde zwar ein Steuerverzeichnis der Deutschen Bank beigelegt, welches aber unvollständig war, sodass Erkundigungen über die ersten sieben Monate des Jahres 2014 unumgänglich waren seitens der Veranlagungsbehörde. Von einer «spontanen» Deklaration im Sinne von Art. 23 VStG könne somit auch hier nicht die Rede sein. Zudem sei die Rechtsgleichheit nicht verletzt, wenn im Kanton Bern, anders als in anderen Kantonen, keine Unterlagen mit der Steuererklärung eingereicht werden müssen und folglich die Veranlagungsbehörden nicht aus den Unterlagen eine in der Deklaration fehlende Angabe ersehen kann.

Auch das Argument, dass die Deklaration an der endgültigen Steuerbelastung nichts geändert hätte, greift zu kurz, da Art. 23 VStG nicht am Erfolg der Steuerverkürzung, sondern rein am Verhalten der unterlassenen Meldung anknüpft.

Revision von Art. 23 VStG

In 2C_87/2018 und 2C_104/2018 verwiesen die Steuerpflichtigen auf die beabsichtigte Revision von Art. 23 VStG, welche gewisse Erleichterungen vorsieht und auch rückwirkend gelten soll. Dennoch hat das Bundesgericht in den vorliegenden Fällen das Verrechnungssteuerrecht so anzuwenden, wie es bei Fälligkeit der steuerbaren Leistung anwendbar war, das heisst Art. 23 VStG in der ursprünglichen Fassung vom 13. Oktober 1965.

Die Revision des Art. 23 VStG ist nun am 1. Januar 2019 in Kraft getreten mit Rückwirkung auf alle offenen Fälle ab 2014. Lesen Sie dazu unseren Artikel zur neuen Rechtsprechung

Überspitzter Formalismus

Auch wenn Steuerpflichtigen diese strikte Deklarationspflicht und die harte Rechtsprechung des Bundesgerichts eher als überspitzter Formalismus vorkommt, was in 2C_117/2018 auch gerügt wurde, muss einem doch bewusst sein, dass die Deklarationspflicht im Sinne von Art. 23 VStG für unser Steuersystem sehr wichtig ist. So ist es unerlässlich, dass im Steuerrecht, als typischer Bereich der Massenverwaltung, die Steuerbehörden davon ausgehen dürfen, dass die Steuererklärungen korrekt und vollständig eingereicht werden. Von ihnen bei all der Informationsflut eine zusätzliche Untersuchungspflicht abzuverlangen, wäre unverhältnismässig. Wie das Bundesgericht betont, dient Art. 23 VStG also nicht einem blossen Selbstzweck und erschwert die Verwirklichung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise, sondern dient im Gegenteil unserem schutzwürdigen Interesse an einer gesetzmässigen Erhebung von Steuern.

Schlussbemerkung

Auch wenn die Erfüllung der Steuerpflicht mit Hilfe des Internets und der elektronischen Erfassung der Steuerdaten in der Steuererklärung heute wesentlich erleichtert wird, nützen alle elektronischen Hilfsmittel wenig, wenn die Vorarbeit zur Steuererklärung, nämlich die Sammlung und Organisation aller Belege und Informationen, ungenügend ist. Die computerunterstütze Erfassung der Steuerdaten entbindet nicht vor einer sauberen Belegorganisation und systematischen Sammlung der notwendigen Belege – am besten laufend und während des Jahres. Wird dies nicht gemacht, bergen fehlende Angaben und Unterlagen u.a. die Gefahr, wie in den vorliegenden Fällen, einen Rückerstattungsanspruch zu verwirken. Mit der Revision und dem neuen Art. 23 Abs. 2 VStG kam der Gesetzgeber den Steuerpflichtigen nun ein bisschen entgegen. Solange man fahrlässig (sprich nicht absichtlich) etwas nicht angibt und die Dividenden noch vor dem nicht rechtskräftig abgeschlossenen Veranlagungsverfahren angegeben bzw. von den Steuerbehörden hinzugerechnet werden, ist man aus dem Schneider und man hat Anspruch auf Rückerstattung. Mehr dazu

Weitere neue Bundesgerichtsentscheide zum gleichen Thema: 2C_612/2017 vom 7. Mai 2018, 2C_580/2018 vom 10. Juli 2018, 2C_56/2018 vom 5. Oktober 2018, 2C_397/2017 vom 9. Mai 2019.

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Autoren
:
Viktor Bucher
Tags:
Rechtsprechung
Verrechnungssteuer