29.8.2016

Gewerbsmässige/r Wertschriftenhändler/-in?

Viele Schweizerinnen und Schweizer haben einen Teil ihres Vermögens in Wertschriften angelegt und handeln direkt oder indirekt an der Börse im Rahmen der Verwaltung ihres angesparten Vermögens. Bei dieser privaten Vermögensverwaltungsaktivität können Gewinne und/oder Verluste entstehen.

Den meisten dieser Vermögensverwalter/-innen käme es aber nicht in den Sinn, dass sie im Sinne des Steuergesetzes eine selbständige Tätigkeit ausüben könnten, bei der die Gewinne und Verluste steuerlich zu erfassen und dem Fiskus bekannt zu geben sind.

In der Schweiz ist der Begriff des «steuerfreien privaten Kapitalgewinnes» im Zusammenhang mit der Wertschriftenverwaltung stark verankert und die Schweizerinnen und Schweizer haben diese Regelung auch im Rahmen von mehreren Abstimmungen immer wieder bestätigt.

Der Begriff des «steuerfreien privaten Kapitalgewinnes» wurde in den letzten Jahren aber von den Steuerbehörden, mit Unterstützung der Gerichte, immer mehr eingeschränkt. Die Steuerbehörden qualifizieren die privaten Vermögensverwalter/-innen als selbständigerwerbende Wertschriftenhändler/-innen, mit der Wirkung, dass die erzielten Kapitalgewinne als Einkommen aus selbständiger Tätigkeit gelten und somit besteuert werden können.

Da im Steuergesetz der Begriff der selbständigen Tätigkeit nicht klar definiert ist, war es möglich, die Gerichte von diesem Konzept zu überzeugen und den «steuerfreien privaten Kapitalgewinn» immer mehr einzuschränken.

Entscheidend ist deshalb die Frage, welche Kriterien für die Annahme der selbständigen Erwerbstätigkeit im Zusammenhang mit der Vermögensverwaltung heute gelten, welche es den Steuerbehörden ermöglichen, den Kapitalgewinn aus der Vermögensverwaltung steuerlich zu erfassen.

Wertschriftenbegriff

Wertschriften im Sinne des Kreisschreibens der ESTV sind Wertpapiere sowie nicht verurkundete Rechte bzw. Wertrechte mit gleicher Funktion. Wertschriften im engeren Sinne können erneut in Wertpapiere im zivilrechtlichen Sinn mit vollen Mitgliedschaftsrechten (z.B. Aktien), mit bloss beteiligungsrechtlichen Vermögensrechte (z.B. Partizipationsscheine) oder mit Forderungsrechte (z.B. Obligationen) unterteilt werden. Ausserdem zählen zu den Wertschriften auch buchmässig registrierte Mitgliedschafts- und Forderungsrechte, Futures und Derivate.

Gewerbsmässiger Wertschriftenhandel

Zur Beurteilung ob eine selbständige Erwerbstätigkeit oder private Vermögensverwaltung vorliegt, bedarf es der Berücksichtigung aller Umstände im konkreten Einzelfall. Dabei wird der Sachverhalt unter den Kriterien der sogenannten «Safe Haven Rules» geprüft, wobei diese kumulativ erfüllt sein müssen, um einen gewerbsmässigen Wertschriftenhandel auszuschliessen:

  • Die Haltedauer der veräusserten Wertschriften beträgt mindestens 6 Monate;
  • Das Transaktionsvolumen d.h. die Summe aller Kaufpreise und Verkaufserlöse pro Kalenderjahr ist kleiner als das Fünffache des Wertschriften- und Guthabenbestandes zu Beginn der Steuerperiode;
  • Das Erzielen von Kapitalgewinnen aus Wertschriftengeschäften darf keine Notwendigkeit bilden, um den Lebensunterhalt zu finanzieren. Mit anderen Worten müssen die realisierten Kapitalgewinne weniger als 50% des Reineinkommens in der Steuerperiode ausmachen;
  • Die Anlagen sind nicht fremdfinanziert oder die steuerbaren Vermögenserträge aus den Wertschriften (z.B. Zinse oder Dividende) sind grösser als die anteiligen Schuldzinsen;
  • Der Kauf und Verkauf von Derivaten (v.a. Optionen) beschränkt sich auf die Absicherung von eigenen Wertschriften.

Werden die soeben erläuterten Kriterien nicht kumulativ erfüllt, kann keine private Vermögensverwaltung angenommen werden. Vielmehr ist anhand von weiteren bundesgerichtlichen Kriterien zu prüfen, ob eine selbständige Erwerbstätigkeit vorliegt. Dabei ist eine Prüfung anhand folgender Gewichtung vorzunehmen:

Im Vordergrund stehende Kriterien:

  • Die Höhe des Transaktionsvolumens

In diesem Fall deutet eine kurze Besitzdauer darauf hin, dass der/die Steuerpflichtige nicht vorwiegend Anlagezwecke verfolgt, sondern auf einen möglichst raschen Gewinn abzielt. Ausserdem ist auch die Relation zwischen der Anzahl an Transaktionen und dem Ausmass des verwalteten Vermögens zu berücksichtigen.

  • Einsatz von Derivaten als Absicherung des Aktienvermögens

Übersteigt der Einsatz von Derivativen die Absicherung von Risiken und wird ein grosses Volumen umgesetzt, so deutet dies auf gewerbsmässiges Vorgehen hin.

  • Einsatz erheblicher fremder Mittel zur Finanzierung der Geschäfte

Der/Die Steuerpflichtige trägt durch die Fremdfinanzierung ein erhöhtes Risiko, welches ein Indiz für eine selbständige Erwerbstätigkeit darstellt.

Indizien von untergeordneter Bedeutung:

  • Die systematische oder planmässige Art und Weise des Vorgehens

Für die Annahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit ist weder erforderlich, dass der/die Steuerpflichtige diese Tätigkeit in einem organisierten Unternehmen ausübt oder nach aussen sichtbar am wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt.

  • Der enge Zusammenhang der Geschäfte mit der beruflichen Tätigkeit des/der Steuerpflichtigen sowie der Einsatz spezieller Fachkenntnisse

Ebenfalls unerheblich ist es, ob der/die Steuerpflichtige Wertschriftengeschäfte selbst oder über eine bevollmächtigte Drittperson abwickelt oder ob ein enger Zusammenhang mit seiner/ihrer beruflichen Tätigkeit vorliegt.

Fazit

Die Frage, ob eine steuerpflichtige Person im Rahmen ihrer Vermögensverwaltung die Kriterien der selbständigen Tätigkeit erfüllt, lässt sich leider aufgrund der geltenden Verwaltungsregelungen und der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht so leicht beantworten. Die Basis für die Beurteilung ist ungenau und von Fall zu Fall werden die Kriterien von den Gerichten unterschiedlich gewichtet. Theoretisch sind die Kriterien für die selbständige Tätigkeit relativ schnell erfüllt. Die Praxis zeigt aber, dass die Kantone bei der Anwendung dieser Regelungen sehr zurückhaltend sind.

Zusätzlich ist zu beachten, dass die Kantone für die Kantons- und Gemeindesteuern zum Teil eigene Regelungen im Zusammenhang mit dem Wertschriftenhändlerstatus/Wertschriftenhändlerinnenstatus kennen.

Es ist deshalb zu empfehlen, dass sich Personen, welche mit Wertschriften handeln sich der steuerlichen Risiken bewusst sind und ihr Handeln regelmässig mit den geltenden steuerlichen Regelungen prüfen um unliebsame Überraschungen zu vermeiden.

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Autoren
:
Viktor Bucher
Tags:
Einkommenssteuern
Rechtsprechung
Steuerplanung