Bundesgerichtsentscheid: Anrechnung von ausländischen Quellensteuern bei gemischten Gesellschaften

Blogpost von

Livio Bucher

Viktor Bucher

Das Bundesgericht hat am 2. Dezember 2020 (2C_249/2020) einen wegweisenden Entscheid im Bereich der Anrechnung von nicht-rückforderbaren ausländischen Quellensteuern bei natürlichen Personen gefällt.

Der Entscheid wurde zwar auf der Grundlage einer mittlerweile überholten Regelung in der Umsetzungsverordnung (VPStA, neu VStA) gefällt, hat aber für Erträge mit Fälligkeit bis Ende 2019 immer noch Gültigkeit und könnte sich interessanterweise auch für gemischte Gesellschaften als Türöffner für eine höhere Anrechnung von nicht rückforderbaren ausländischen Quellensteuern in der Schweiz erweisen.

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Sachverhalt

A.A. und B.A. halten eine qualifizierte Beteiligung von 51% am Stammkapital der in Deutschland domizilierten B. GmbH. In der Steuererklärung 2012 deklarierten die Steuerpflichtigen einen Dividendenertrag von Fr. 1'230'936 aus dieser Beteiligung. Die nicht rückforderbare ausländische Quellensteuer in Deutschland betrug in diesem Fall Fr. 184'690.

Mit Rückerstattungsverfügung vom 31. Oktober 2018 liess die Steuerverwaltung Zug eine pauschale Steueranrechnung für die deutsche Quellensteuer von insgesamt Fr. 125'898.- zu. Dagegen erhoben die Steuerpflichtigen Einsprache. Nachdem die Steuerverwaltung Zug die Einsprache weitestgehend abgewiesen hatte, hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Zug die Beschwerde der Steuerpflichtigen mit Urteil vom 28. Januar 2020 gut und setzte den Betrag der anrechenbaren ausländischen Steuern auf insgesamt Fr. 143'513.08 fest.

Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 19. März 2020 beantragte die ESTV, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug sei aufzuheben und die pauschale Steueranrechnung 2012 für A.A. und B.A. sei mit insgesamt Fr. 125'914 (Bund: 61'563; Kanton Fr. 64'351) festzusetzen.

Erwägungen

Als natürliche Personen mit Wohnsitz im Kanton Zug, die im Steuerjahr 2012 eine Beteiligung von mindestens 10% des Grund- oder Stammkapitals einer Kapitalgesellschaft in ihrem Privatvermögen hielten, unterlagen die Beschwerdegegner für Erträge aus dieser Beteiligung auf Bundesebene im Umfang von 60% und auf Kantons- und Gemeindeebene im Umfang von 50% der Einkommenssteuer.

Dividenden aus ausländischen Quellen unterliegen regelmässig einer Besteuerung im Quellenstaat. In ihren DBAs verpflichtet sich die Schweiz generell, in der Schweiz ansässigen Empfängern solcher Kapitalerträge eine Entlastung für die ausländische Quellensteuer zu gewähren, mit welcher der andere Vertragsstaat den Ertrag abkommensgemäss belasten darf.

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Die steuerliche Entlastung der ausländischen Quellensteuern bei den schweizerischen Steuern erfolgt für Erträge mit Fälligkeit bis 2019 für die von Bund, Kantonen und Gemeinden erhobenen Steuern gesamthaft und wird in einem einheitlichen Betrag vergütet.

Herabsetzung der ausländischen Quellensteuern

Die pauschale Steueranrechnung der ausländischen Quellensteuer wird in der Schweiz nur gewährt, wenn die quellensteuerbelasteten Erträgnisse den Einkommens- oder Gewinnsteuern des Bundes, der Kantone und der Gemeinden unterliegen. Unterliegen die ausländischen Erträgnisse entweder nur der Einkommenssteuer des Bundes oder nur den Einkommenssteuern der Kantone und der Gemeinden, so kann die pauschale Steueranrechnung nur für einen Teil der ausländischen Quellensteuer beansprucht werden.

Nach der sog. «Drittels-Lösung» reduziert sich der Anspruch des Steuerpflichtigen auf Anrechnung ausländischer Sockelsteuern pauschal um zwei Drittel, wenn die quellensteuerbelasteten Erträgnisse nur der Einkommens- bzw. Gewinnsteuer des Bundes unterliegen, und pauschal um ein Drittel, wenn sie nur den Einkommens- bzw. Gewinnsteuern der Kantone und der Gemeinden unterliegen.

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Maximalbetrag

Die pauschale Steueranrechnung wird der Höhe nach nicht nur durch den Betrag der von ausländischen DBA-Staaten erhobenen Sockelsteuern, sondern auch durch die Summe der auf diese Erträgnisse entfallenden schweizerischen Steuern (Maximalbetrag) begrenzt (Art. 8 Abs. 2 PStAV; vgl. Urteil 2C_609/2019 vom 13. Juli 2020 E. 5.2).

Das Verwaltungsgericht des Kantons Zug hat den Maximalbetrag für Bund einerseits und Kantone und Gemeinden andererseits gesondert berechnet und anschliessend zusammengezählt. Daraus resultierte der gesamthafte Maximalbetrag von Fr. 143'513, der die Entlastung für die deutsche Sockelsteuer von Fr. 184'690. begrenzte.

Die ESTV hält diese Berechnung für unzutreffend. Der Maximalbetrag für den Bund einerseits und den Kanton und die Gemeinde andererseits. sei nämlich in dem Sinne getrennt zu ermitteln, dass er der Höhe nach jeweils auf die nach Art. 9 ff. VPStA ermittelte Steuer des betreffenden Gemeinwesens, aber auch auf ein Drittel der ausländischen Sockelsteuer (Bund) bzw. auf zwei Drittel der ausländischen Sockelsteuer (Kanton und Gemeinde) begrenzt sei. Falle die Steuer des Bundes tiefer als ein Drittel der ausländischen Sockelsteuer aus oder falle die Steuer von Kanton und Gemeinde tiefer aus als zwei Drittel der ausländischen Sockelsteuer, sei jeweils nur dieser tiefere (schweizerische) Betrag auf Ebene Bund bzw. Kanton/Gemeinde anrechenbar. Diesen Kürzungsmechanismus bezeichnet die ESTV als «Herabsetzung des Maximalbetrags», wofür sie sich auf Art. 5 Abs. 4 VPStAV beruft.

Die ESTV verweist insb. auf Art. 5 Abs. 4 Satz 4 VPStA, der die Herabsetzungsregelung von Art. 12 VPStA und die Lastenverteilungsregelung von Art. 20 VPStA für sinngemäss anwendbar erklärt. Wie sich die sinngemässe Anwendung dieser Regelungen in Bezug auf teilbesteuerte Dividenden genau auszuwirken hat, erläutert Art. 5 Abs. 4 Satz 4 VPStA jedoch gemäss Bundesgericht nicht.

In ihrer Praxis versteht die ESTV den Verweis offenbar so, dass sich die Steuerpflichtigen die Aufteilung der ausländischen Sockelsteuern nach der «Drittels-Lösung» gefallen lassen müssen, wenn Kanton und Gemeinde die qualifizierten Beteiligungserträge in einem anderen Umfang als der Bund oder sogar voll besteuern.

Neben der Interpretation der ESTV könnte der Verweis in Art. 5 Abs. 4 Satz 4 VPStA gemäss Erwägungen des Bundesgerichts jedoch auch bedeuten, dass für die Berechnung des Maximalbetrags lediglich die Bundes-, Kantons- und Gemeindesteuern zu berücksichtigen sind, die effektiv erhoben werden (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 VPStAV analog). Der tiefere Wert aus dem (gesamten) Maximalbetrag und dem Betrag der ausländischen Sockelsteuer wäre dann gemäss der «Drittels-Lösung» für die Zwecke der innerstaatlichen Lastenverteilung nach Art. 20 VPStA zu einem Drittel vom Bund und zu zwei Dritteln von Kanton und Gemeinde zu tragen.

Angesichts des unklaren Wortlauts von Art. 5 Abs. 4 Satz 4 VPStA muss gemäss Bundesgericht die Bestimmung in einer Art und Weise ausgelegt werden, die konform mit dem DBA-D ist, nach welchem die Schweiz Entlastung für deutsche Sockelsteuern gewähren muss.

Unter Berücksichtigung der völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz ist Art. 5 Abs. 4 VPStA gemäss Bundesgericht so zu verstehen, dass einem unterschiedlichen Ausmass der Privilegierung von qualifizierten Beteiligungserträgen auf Bundesebene und Kantons- und Gemeindeebene abschliessend Rechnung getragen wird, indem der Maximalbetrag auf Bundes- bzw. Kantons- und Gemeindeebene gesondert ermittelt und die einzelnen Steuerbeträge anschliessend zusammengerechnet werden. Dabei sind die Steuern von Bund einerseits und Kanton und Gemeinde andererseits in dem Umfang zu berücksichtigen, in welchem sie infolge der Privilegierung qualifizierter Beteiligungserträge erhoben werden. Gemäss Bundesgericht erfolgt hingegen keine zusätzliche Herabsetzung analog Art. 12 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 VPStA, wenn der Bund einerseits und der Kanton und die Gemeinde andererseits eine Dividende in unterschiedlichem Ausmass von der Besteuerung ausnehmen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde der ESTV entsprechend ab.

Kommentar

Die VStA hat per 1. Januar 2020 zahlreiche Änderungen erfahren, die für den vom Bundesgericht beurteilen Fall allerdings noch nicht einschlägig waren. Das Bundesgericht nimmt dennoch die neuen Regeln vorausschauend vorweg und urteilt entgegen der Praxis der Steuerbehörden, dass der Verweis von Art. 5 Abs. 4 VPStA auf Art. 12 VPStA nicht so zu verstehen sei, dass der Anrechnungsbetrag bei qualifizierten Beteiligungen bei natürlichen Personen im Sinne der «Drittels-Lösung» gekürzt werden sollte. In der neusten Fassung der Verordnung wird die sog. «Drittels-Lösung» nämlich ersatzlos gestrichen.

Das Urteil des Bundesgerichts ist bemerkenswert und sollte nach unserer Auffassung grundsätzlich auch auf sog. gemischte Gesellschaften übertragbar sein, welche auf Stufe Kanton und Gemeinde nach Massgabe ihrer inländischen Geschäftstätigkeit reduziert besteuert werden bzw. wurden.

Die Steuerbehörden kürzen die anrechenbaren ausländischen Quellensteuern bei gemischten Gesellschaften aufgrund des Verweises von Art. 5 Abs. 3 VPStA auf Art. 12 VPStA bis anhin analog der Praxis bei Dividenden im Teileinkünfteverfahren systematisch nach der «Drittels-Lösung». Diese Praxis erscheint nach unserer Ansicht in Anbetracht des neuen Entscheids des Bundesgerichts als überholt.