Internationale Verrechnungspreise in der Schweiz

Die Thematik der Verrechnungspreise (Englisch: «Transfer Pricing») ist in den letzten Jahren aufgrund des damit einhergehenden Potentials zur internationalen Steueroptimierung zunehmend in den Fokus der Steuerbehörden gerückt. Unter dem Begriff «internationale Verrechnungspreise» werden dabei jene Preise bezeichnet, die zwischen einzelnen, in verschiedenen Staaten ansässigen steuerlichen Einheiten eines Unternehmens bzw. Konzerns für gruppeninterne Transaktionen (wie für Warenverkäufe oder die Lizenzierung von Immaterialgüterrechten) verwendet werden. Der zentrale Unterschied zu «echten» Drittpreisen liegt somit darin, dass Verrechnungspreise nicht vom Markt bestimmt werden, sondern von rechtlich unabhängigen, faktisch jedoch verflochtenen geschäftlichen Einheiten und dabei nur für unternehmensinterne bzw. steuerliche Abrechnungszwecke angewendet werden. Die Schweiz selbst kennt keine Verrechnungspreis-Vorschriften, wie dies eine Vielzahl der OECED-Staaten kennen. Die Schweizerische Steuerkonferenz («SSK») hat am 23. Januar 2024 in Zusammenarbeit mit der eidg. Steuerverwaltung erstmals einen ausführlichen Artikel zum Thema Verrechnungspreise für das Dossier Steuerinformationen veröffentlicht.

Verrechnungspreis als Instrument zur Steueroptimierung

Aufgrund des teilweise erheblichen Gewinnsteuersatzgefälles zwischen den Staaten bieten sich Verrechnungspreise als Instrument zur internationalen Steuerplanung im Konzern an. Indem ein Konzern beispielsweise für innerbetriebliche Verkäufe aus einem Hochsteuerstaat einen tiefen Preis ansetzt, reduziert der Konzern seinen Gewinn und damit seine Steuerlast in diesem Staat zugunsten von erwerbenden Konzerngesellschaften, welche z.B. in Tiefsteuerstaaten sind.

Als Antwort auf eine zunehmend aggressive Verrechnungspreisgestaltung von multinationalen Konzernen hat die Staatengemeinschaft innerhalb der OECD den sog. Fremdvergleichsgrundsatz (Englisch: «Arm’s-Length»-Prinzip) und die in diesem Zusammenhang anwendbaren Methoden und Grundsätze in den letzten Jahren stetig weiterentwickelt. Die Methoden zur Umsetzung des Fremdvergleichsgrundsatzes zeigen auf, nach welchen Regeln ein Verrechnungspreis bestimmt werden kann. Demzufolge dürfen die bei Geschäftsvorfällen zwischen Unternehmen eines multinationalen Konzerns angewendeten Bedingungen nicht von jenen abweichen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden. Die Verletzung dieses Grundsatzes kann im internationalen Verhältnis zu negativen Steuerfolgen führen. Im internationalen Steuerrecht findet der Fremdvergleichsgrundsatz seine normative Grundlage insbesondere in den zwischen den verschiedenen Staaten und der Schweiz abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Ob und wann dieser Grundsatz konkret erfüllt ist, bildet regelmässig Gegenstand von Diskussionen zwischen den betroffenen Unternehmen und den involvierten Steuerbehörden.

Die Schweiz hat keine eigene spezifische Gesetzgebung zur Bestimmung von Verrechnungspreisen, sondern orientiert sich praxisgemäss an den Verrechnungspreisrichtlinien der OECD, welche einen Konsens der Staatengemeinschaft hinsichtlich der Bestimmung von fremdvergleichskonformen Verrechnungspreisen darstellt.

Standardmethoden zur Bestimmung fremdvergleichskonformer Verrechnungspreise

Es gibt verschiedene Standardmethoden, die bei der Ermittlung von Verrechnungspreisen zur Anwendung kommen können und bei denen der Preis eines Geschäftsvorfalls zwischen verbundenen Unternehmen als zentrale Grundlage dient:

  • Preisvergleichsmethode: Bei diesem Ansatz wird der in einem konzerninternen Geschäftsvorfall für die Lieferung eines Wirtschaftsguts oder die Erbringung einer Dienstleistung berechnete Preis mit jenem Preis verglichen, der in einem vergleichbaren Geschäftsvorfall zwischen anderen Unternehmen unter ähnlichen Bedingungen für eine solche Lieferung oder Leistung in Rechnung gestellt wird. Auf diese Methode kann zurückgegriffen werden, sofern kein Unterschied zwischen den verglichenen Geschäftsvorfällen den Preis bedeutend verändern kann oder wenn Vergleichbarkeitsanpassungen vorgenommen werden können, um allfälligen Folgen dieser Differenzen entgegenzuwirken.
  • Wiederverkaufspreismethode: Die Wiederverkaufspreismethode basiert auf jenem Preis, zu dem ein Produkt, das die steuerpflichtige Person von einemverbundenen Unternehmen kauft, an ein unabhängiges Unternehmen weiterveräussert wird. Von diesem Wiederverkaufspreis ist eine Bruttogewinnmarge abzuziehen, wobei der Bruttogewinn denjenigen Betrag darstellt, aus dem der Wiederverkäufer seine Aufwendungen für den Vertrieb zu decken und einen angemessenen Gewinn zu erwirtschaften hat. Dieser Ansatz kann herangezogen werden, sofern Vertriebsgesellschaften gezielt Produkte von einem verbundenen Unternehmen kaufen, um es anschliessend an Andere weiterzuveräussern.
  • Kostenaufschlagsmethode: Sofern die Kosten, die der steuerpflichtigen Person im Rahmen des konzerninternen Geschäftvorfalls anfallen, als Grundlage verwendet werden und darauf ein angemessener Aufschlag unter Berücksichtigung der ausgeübten Funktionen und Marktgegebenheiten berechnet wird, handelt es sich um einen Anwendungsfall der Kostenaufschlagsmethode. Diese wird bei Produktionsunternehmen mit bestimmten Funktionsprofilen (insb. im Bereich der Halbfabrikate) oder bei Dienstleistungsunternehmen eingesetzt, wenn einem verbundenen Unternehmen Wirtschaftsgüter geliefert oder Dienstleistungen erbracht werden.

Steuerfolgen bei Verletzung des Fremdvergleichsgrundsatzes in der Schweiz

Bei einer Nichteinhaltung des Fremdvergleichsgrundsatzes und der Anwendung unangemessener Verrechnungspreise nehmen die schweizerischen Steuerbehörden (ausschliesslich jene auf kantonaler Ebene) eine Primärberichtigung, d.h. eine Korrektur des angewandten konzerninternen Preises vor. In diesem Kontext sieht das Steuerrecht zwei wesentliche Anpassungen der steuerlichen Konsequenzen vor:

  • Gewinnsteuer: Sofern eine inländische Gesellschaft das genannte Prinzip nicht beachtet und ihren Aktionären (z.B. der Muttergesellschaft) oder sonst nahestehenden Personen (z.B. einer Schwestergesellschaft) im Ausland eine übermässige Vergütung ausschüttet (oder von derselben keine ausreichende Entschädigung erhält), qualifiziert die unangemessene Komponente der Vergütung als verdeckte Gewinnausschüttung. Diese ist folglich in den steuerpflichtigen Gewinn der Schweizer Gesellschaft einzubeziehen. Gleichermassen hat eine von einer schweizerischen Muttergesellschaft ausgerichtete zu hohe Entschädigung an eine ausländische Tochtergesellschaft zur Folge, dass diese als verdeckte Kapitaleinlage betrachtet wird und bei der schweizerischen Muttergesellschaft rechnungslegungsrechtlich mit einer geschäftsmässig unbegründeten Abschreibung gleichzusetzen ist, die wiederum in den steuerpflichtigen Gewinn integriert wird.
  • Verrechnungssteuer: Bei einer übermässigen Vergütung an die Aktionäre oder an weitere nahestehende Personen im Ausland kann diese als geldwerte Leistung betrachtet werden und unterliegt damit der Verrechnungssteuer.

Somit führt eine durch die Schweizer Behörden veranlasste Primärberichtigung im Prinzip zur Qualifikation als:

  • geldwerte Leistung der Schweizer Gesellschaft für die Zwecke der Verrechnungssteuer und der Gewinnsteuern an die ausl. Gesellschaft, wenn diese die Mutter- oder eine Schwestergesellschaft der Schweizer Gesellschaft ist; oder
  • verdeckte Kapitaleinlage zugunsten der ausländischen Gesellschaft (d.h. Aufrechnung beider Schweizer Gesellschaft für die Zwecke der Gewinnsteuern), wenn diese eine Tochtergesellschaft der Schweizer Gesellschaft ist.

Eine Primärberichtigung in der Schweiz kann zu einer internationalen Doppelbesteuerung führen, da der aufgerechnete Gewinn in der Schweiz z.B. bereits im Ausland besteuert wurde. Eine internationale Doppelbesteuerung kann dann grundsätzlich nur mittels eines Verständigungsverfahrens beseitigt werden.

Das nachfolgende vereinfachte Fallbeispiel soll aufzeigen, wie sich die steuerlichen Konsequenzen aus Schweizer Sicht bei einer Primärberichtigung im Verhältnis von Schwestergesellschaften konkret auswirken können:

Fallbeispiel

Sachverhalt

Die A AG ist die Schweizer Konzerngesellschaft einer dänischen Gruppe mit Konzernobergesellschaft Zeta A/S. A AG stellt pharmazeutische Produkte in der Schweiz her. Ihre Produkte verkauft die A AG in der Schweiz direkt an unabhängige Dritte. Im Ausland werden die Produkte ausschliesslich über verbundene Konzerngesellschaften vertrieben. Für den europäischen Markt ist die in Liechtenstein domizilierte B AG, eine Schwestergesellschaft der A AG, zuständig.

Die A AG verkauft ihre Produkte an Schweizer Apotheken zu 200 CHF/pro Stück. Der Verrechnungspreis von A AG an die verbundene B AG beträgt 100 CHF/pro Stück.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung im Frühling 2023 betreffend das Jahr 2021 korrigiert die eidg. Steuerverwaltung den Lieferpreis von A AG an B AG auf 180 CHF/pro Stück. Die Lieferungen an die B AG belaufen sich im Jahr 2021 auf 100’000 Stücke. Das Ergebnis der Betriebsprüfung wird von der ESTV an die zuständige kantonale Steuerverwaltung weitergeleitet.

Frage

Was sind die residualen Verrechnungssteuerfolgen für 2021 und wie sehen die Gewinnsteuerfolgen vorliegend aus?

Antwort

Der von der eidg. Steuerverwaltung taxierte unterpreisliche Verkauf stellte eine geldwerte Leistung von A AG an die B AG dar. Der geldwerte Vorteil von CHF 8 Mio. (100’000 x 80 CHF) unterliegt der Verrechnungssteuer von 35%. Da die B AG nicht an der A AG beteiligt ist, kommt aufgrund der Anwendung der sog. Direktbegünstigungstheorie ein Sockelsatz von 15% gemäss Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Liechtenstein zur Anwendung. Da die Steuer von A AG nicht auf B AG überwälzt wurde, findet zudem eine Aufrechnung ins Hundert statt (CHF 8 Mio. / 65 x 15).

Mithin resultiert eine Verrechnungssteuer von rund CHF 2.3 Mio. (exkl. Verzugszins). Die geldwerte Leistung in der Differenz zwischen Verkaufspreis und Marktpreis (= CHF 8 Mio.) unterliegt überdies den Gewinnsteuern.

Fazit

Verrechnungspreise zwischen verbundenen Unternehmen bilden in der Steuerplanung/-prüfung eine immer wichtigere Rolle und es ist empfehlenswert, dass diese Verrechnungspreise immer dokumentiert und begründet sind. Die Festlegung von Verrechnungspreisen geschieht nicht willkürlich, sondern muss sich stets am Grundsatz des von der OECD bestimmten Fremdvergleichs orientieren. Verstösse gegen diesen Grundsatz können auch in der Schweiz zu erheblichen negativen Steuerfolgen führen. Insofern ist es auch für schweizerische Gesellschaften wichtig, die Verrechnungspreispolitik im Konzern proaktiv zu verwalten und auch mit den Steuerbehörden vorgängig zu besprechen.