27.1.2022

Besteuerung von Staking, Lending und Liquidity Mining Erträgen

Die Abkürzung DeFi steht für dezentrale Finanzen und wird zur Beschreibung aller Finanzdienstleistungen auf Basis dezentraler Blockchain-Technologie verwendet. Bei DeFi-Anwendungen werden die klassischen Mittelsmänner wie Zentralbanken, Finanzinstitute und Versicherungen durch sog. Smart Contracts ersetzt.

Ein Smart Contract ist ein digitaler Vertrag, der in Programmcodeeingebettet ist und nach vordefinierten Regeln automatisch Transaktionen vornimmt. Der wichtigste Vorteil von DeFi liegt darin, dass jeder Mensch (auch Menschen ohne Bankkonto) mit einem internetfähigen Endgerät und einer Wallet Finanzdienstleistungen in Anspruch nehmen kann. Ein weiterer Vorteil liegt im besonders hohen Schutz der Privatsphäre, da keine Daten durch Dritte verarbeitet werden. Ebenfalls können durch DeFi-Anwendungen die Kosten für Finanzdienstleistungen, durch den Wegfall kostspieliger Finanzintermediäre, deutlich gesenkt werden.

Es gibt eine Vielzahl von DeFi-Anwendungen. Viele Nutzer, welche gleichzeitig auch Halter von Kryptowährungen sind, können mittels DeFi-Anwendungen nebst den Kapitalgewinnen zusätzlich auch von Vermögenserträgen in Form von Kryptowährungen profitieren und so den Bestandihrer Kryptowährungen kontinuierlich vergrössern.

Die wichtigsten DeFi-Anwendungen und somit Möglichkeiten, mittels Kryptowährungen dezentrale Vermögenserträge zu erzielen, sollen in einem ersten Teil (I.) erläutert werden. In einem zweiten Teil (II.) soll auf die steuerliche Behandlung eben solcher dezentraler Vermögenserträge eingegangen werden.

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I. DeFi-Anwendungen

Lending

Die grössten DeFi-Protokolle wie MakerDAO, Compound und Aave haben eines gemeinsam: ihr Haupt-Anwendungsfall baut auf dem Lending und Borrowing, also dem Leihen und Verleihen, auf. Konkret stellt man beim Lending einen Betrag an Krypto-Token für andere Teilnehmer zur Verfügung und erhält dafür Zinsen. Die Zinsen werden häufig direkt in der verliehenen Kryptowährung oder in Form eines Stable Coins ausgeschüttet.

Staking

Gleich wie beim «klassischen» Mining (Proof-of-Work Konsensmechanismus), werden bei dieser Mining-Alternative ebenfalls neue Blöcke validiert und so das Funktionieren der Blockchain gewährleistet. Jedoch geschieht dies beim Staking nicht anhand von Rechenleistung der Miner, sondern einzig durch das Halten und Bereitstellen von Token in einem Wallet.

Grundsätzlich können 2 Arten von Staking unterschieden werden:

  • Variante 1: Delegator-Staking - Eigentümer von Token können ihre Token einer Drittpartei (z.B. eine Online-Handelsplattform) zur Verfügung stellen bzw. delegieren. Für das «Ausleihen» erhalten diese Delegatoren regelmässige Entschädigungen. Der Delegator verfügt dabei nicht über das Wissen und die Ausrüstung, um als Validator aufzutreten;
  • Variante 2: Validator-Staking - Ein Validator auf einer Blockchain fungiert wie eine Bank und verifiziert jede Transaktion. Je nach Blockchain bzw. Netzwerk wird eine unterschiedliche Anzahl an Token benötigt, damit man als Validator auftreten kann. So z.B. benötigt ein Validator auf Ethereum 2 mindestens 32 Ether-Token, was einem aktuellen Gegenwert von rund 80’000 USD entspricht und für viele Investoren finanziell gar nicht möglich ist. Dies wird dann auch der Hauptgrund sein, weshalb Delegator-Staking häufiger verbreitet ist. Sobald die Validierung abgeschlossen ist, erhält der Validator einen sog.«Staking Reward». Dieser «Staking Reward» fällt je nach Blockchain unterschiedlich hoch aus. Wie hoch der Reward auf den einzelnen Blockchains ist, kann man unter anderem auf Seiten wie Staking Rewards einsehen.

Die beiden bekanntesten und am meisten kapitalisierten Kryptowährungen Bitcoin und Ethereum, betreiben aktuell noch immer das klassische Mining. Staking ist hier (noch) nicht möglich. Insbesondere Ethereum arbeitet jedoch mit Nachdruck am Übergang von Proof-of-Work auf Proof-of-Stake. Am 4. August 2021 fand der langersehnte London Hard Fork auf der Ethereum Blockchain statt, welcher ein weiterer wichtiger Meilenstein in Richtung Ethereum 2 darstellt. Mehr zur Timeline von Ethereum 2 finden Sie hier.

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Liquidity Mining

Um den Handel auf dezentralen Börsen wie Uniswap oder Sushiswap zu ermöglichen, müssen diese Plattformen Liquidität für den dezentralen Handel bereitstellen. Das benötigte Kapital wird von sog. Liquidity Minern in Form von Token-Paaren (z.B. ETH/USDC) in Liquidity Pools zur Verfügung gestellt. Jedes Mal, wenn Liquidität in einen Pool einbezahlt wird, werden Governance Token (z.B. UNI-Tokens) im Verhältnis zu der Menge an Liquidität, die in den Pool eingebracht wurde, an den Liquidity Miner ausgeschüttet. Zusätzlich werden die von der dezentralen Plattform vereinnahmten Handelsgebühren (Handelsgebühr bei Uniswap beträgt aktuell 0.3% pro Trade) anteilig an alle Liquidity Miner eines Pools verteilt.

II. Steuerliche Behandlung dezentraler Vermögenserträge

Einkommenssteuer

Einkommenssteuerrechtliche Qualifikation

Erträge aus beweglichem Vermögen sind in der Schweiz generell steuerbar, womit auch dezentrale Vermögenserträge im Grundsatz steuerpflichtig sein sollten. Über die steuerliche Qualifikation von Erträgen aus Staking, Lending und Liquidity Mining haben sich Bund und Kantone lange nicht geäussert. In Ihrem Arbeitspapier vom Dezember 2021 hielt die ESTV erstmals öffentlich fest, dass dezentrale Vermögenserträge wie Zinsen aus Guthaben zu qualifizieren und entsprechend als steuerbares Einkommen zu versteuern seien. Damit bestätigt sie die ohnehin schon herrschende Praxis in den Kantonen. Hinsichtlich der Deklaration von Kryptowährungen, siehe unseren Blogbeitrag zu Kryptowährungen und Steuern.

Gefahr: Selbständige Erwerbstätigkeit

Auch im Zusammenhang mit dezentralen Vermögenserträgen gilt es – gleich wie beim Handel mit Kryptowährungen (siehe unseren Blogbeitrag vom 27. Januar 2022 zu Kryptowährungen hierzu) – zu beachten, dass solche Aktivitäten seitens der Steuerbehörden durchaus als selbständige Erwerbstätigkeit qualifiziert werden können.

Insbesondere im Zusammenhang mit Staking hält die ESTV folgendes fest:

  • Besteuerung Delegator-Staking: Wer eigene Token lediglich an Dritte delegiert und dadurch Erträge erzielt, betreibt dies nach Ansicht der ESTV im Normalfall im Rahmen einer schlichten privaten Vermögensverwaltung und nicht im Rahmen einer selbständigen Erwerbstätigkeit. Entsprechend sind die Erträge zwar als Einkommen zu versteuern, Sozialversicherungsabgaben sind jedoch nicht geschuldet. Betreffend die einkommenssteuerrechtliche Bewertung solcher Erträge siehe sogleich unten;
  • Besteuerung Validator-Staking: Hier gilt es gemäss der ESTV zu unterscheiden, mit welchem Kapital- und Arbeitseinsatz die Tätigkeit ausgeübt wird. Da die Funktion eines Validators häufig mit einem handelsüblichen Laptop und einer vorprogrammierten Softwareausgeübt werden kann, wird nicht jeder Validator das Staking im Rahmen einer selbständigen Erwerbstätigkeit ausüben.

Zur steuerlichen Behandlung von Lending und Liquidity Mining haben sich Bund und Kantone bis heute nicht geäussert. Erste Abklärungen bei den kantonalen Steuerverwaltungen diesbezüglich haben ergeben, dass in solchen Fällen dem Grundsatz nach nur dann eine selbständige Erwerbstätigkeit vorliegen könne, wenn die DeFi-Anwendung von der steuerpflichtigen Person selbst direkt betrieben und nicht über eine Drittpartei genutzt wird. Dabei gilt es stets die gesamten Umstände des konkreten Einzelfalls zu berücksichtigen.

Eine Umqualifikation zur selbständigen Erwerbstätigkeit hat zur Folge, dass insb. ein späterer Verkauf der Kryptowährungen bzw. der Rewards steuer-und sozialabgabepflichtig ist. Hinsichtlich der steuerlichen Folgen einer Umqualifikation zur selbständigen Erwerbstätigkeit im Einzelnen, siehe unseren Blogbeitrag vom 27. Januar 2022 zu Crypto-Trader.

Einkommenssteuerrechtliche Bewertung

Wie Kryptowährungen für die Zwecke der Einkommenssteuer zu bewerten sind, dazu haben sich die schweizerischen Steuerbehörden – im Gegensatz zur Bewertung für die Zwecke der Vermögenssteuern – lange nicht geäussert. Erstmals öffentlich zu dieser Thematik hat sich die ESTV im Dezember 2021 geäussert und festgehalten, dass für die Deklaration der Werte im Rahmen der Einkommenssteuern die allgemeinen Regeln über Bestimmung des Wertes am Stichtag und die Ermittlung eines allfälligen Fremdwährungskurses gelten. Die Praxis der Steuerbehörden betreffend Vermögenserträge in Fremdwährungen ist wie folgt: Entgelte in ausländischer Währung sind für die Berechnung der Einkommenssteuer im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerforderung in Schweizer Franken umzurechnen. Für die Umrechnung kann wahlweise der von der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) publizierte Monatsmittelkurs oder der Devisen-Tageskurs (Verkauf) angewendet werden. Bei ausländischen Währungen, für welche die ESTV keinen Kurs bekannt gibt, gilt der publizierte Devisen-Tageskurs (Verkauf) einer inländischen Bank.

Da die ESTV für Kryptowährungen noch keine Tageskurse oder monatliche Durchschnittskurse publiziert, erscheint es sachgerecht, wenn man Vermögenserträge in Kryptowährungen – gleich wie Devisen ohne publizierten Kurs der ESTV – zum Tageskurs (Verkauf) einer Online-Handelsplattform bewertet. Erste Abklärungen bei den Kantonen diesbezüglich haben ergeben, dass alternativ auch eine Bewertung zum Monats- oder Jahresmittelkurs akzeptiert wird, wobei die einmal gewählte Bewertungsmethode beibehalten werden sollte. In jedem Fall gilt, sich über die Wahl der Bewertungsmethode im Vorfeld Gedanken zu machen, denn die einfachste und praktikabelste Lösung (Bewertung zum Monats- oder Jahresmittelkurs) ist nicht immer auch die steuerlich sinnvollste Lösung. So besteht bei einer Bewertung dezentraler Vermögenserträge zum Monats- oder Jahresmittelkurs die Gefahr, dass die zugeflossenen Vermögenserträge höher oder tiefer bewertet werden, als sie zum Zeitpunkt des Zuflusses tatsächlich waren.

Fazit

Mittels DeFi-Anwendungen erzielte Vermögenserträge unterliegen grundsätzlich der Einkommenssteuer. In Bezug auf die einkommenssteuerrechtliche Qualifikation haben sich Bund und Kantone lange nicht geäussert. Stand Heute ist klar, dass Erträge aus Staking, Lending und Liquidity Mining wie Zinsen aus Guthaben der Einkommenssteuer unterliegen.

Die grösste Herausforderung im Zusammenhang mit dezentralen Vermögenserträgen ist die Bewertungsthematik bei der Einkommenssteuer. Auch dazu haben sich Bund und Kantone nur sehr zurückhaltend geäussert. Grundsätzlich sind dezentrale Vermögenswerte – analog den Fremdwährungen – im Zeitpunkt des Zuflusses zu bewerten, wobei die Kantone auch Bewertungen zum Monats- oder Jahresmittelkurs akzeptieren.

Schliesslich sollte man beim Betreiben von DeFi-Anwendungen immer auch die latente Gefahr einer allfälligen Umqualifikation zur selbständigen Erwerbstätigkeit im Auge behalten. Eine allgemeine Regel gibt es in solchen Fällen nicht. Es sind stets die gesamten Umstände des konkreten Einzelfalls zu beachten. Jedoch gilt auch hier, – gleich wie beim Handel mit Kryptowährungen (siehe unseren Blogbeitrag "Vom Crypto-Trader zum Wertschriftenhändler" hierzu) – dass solche Aktivitäten nur in Ausnahmefällen als selbständige Erwerbstätigkeit qualifizieren.

Werden mit Staking, Lending und Liquidity Mining grosse Vermögenserträge erzielt, so ist es daher unabdingbar, die steuerlichen Chancen und Risiken mit einem SteuerberaterIn zu diskutieren.

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Autoren
:
Livio Bucher
Tags:
Crypto
Einkommenssteuer