14.9.2021

Besteuerung von getrenntlebenden Eltern

Das Leben kennt eine Vielzahl von persönlichen Organisationsstrukturen, die auch dem gesellschaftlichen Wandel unterliegen. Im 21. Jahrhundert ist die eheliche Gemeinschaft nur eine unter vielen sozial akzeptierten und gelebten Lebensformen. Aus steuerlicher Sicht interessant ist aber die Unterscheidung, dass nur die eheliche Gemeinschaft, im Gegensatz zu geschiedenen Eltern bzw. nicht verheirateten Eltern, als Gemeinschaft besteuert wird.

Der vorliegende Beitrag beleuchtet die Grundsätze der familienrechtlichen Unterhaltsbeiträge im Steuersystem ausserhalb der Besteuerung der ehelichen Gemeinschaft, wobei der Schwerpunkt auf die Kindesunterhaltsbeiträge bei geschiedenen bzw. getrenntlebenden Eltern gelegt wird.

Anzufügen ist, dass gegenseitige Leistungen bei verheirateten Eltern aufgrund des Grundsatzes der Familienbesteuerung steuerlich unbeachtlich sind. Zudem sind familienrechtliche Unterhaltsbeiträge nicht nur in einem Scheidungs-/Trennungskontext von Relevanz, sondern auch etwa bei nicht verheirateten Eltern, die in einem gemeinsamen Haushalt leben (Konkubinat).

Einleitend ein kurzer Hinweis auf die familienrechtliche und statistische Ausgangslage. Seit 2014 ist das neue Kindesrecht in Kraft. Gemäss dieser Revision ist die gemeinsame elterliche Sorge[1] der Normalfall, und eine abweichende Regelung davon muss besonders begründet werden.[2] Dementsprechend haben heute ein Grossteil der Eltern die gemeinsame elterliche Sorge inne. Von der elterlichen Sorge zu unterscheiden ist die Obhut. Bei der Obhut handelt es sich um die tatsächliche Betreuung der Kinder. Obwohl gemäss der Revision bzw. gemäss deren Nachkorrektur die Möglichkeit der alternierenden Obhut explizit zu prüfen ist,[3] wird bei weit über 80 % der Trennungsfällen die alleinige Obhut zugeteilt. Die alternierende Obhut entspricht daher noch nicht der breitengesellschaftlichen Realität.[4]

In steuerlicher Hinsicht sind familienrechtliche Pflichten insbesondere auf drei Ebenen von Relevanz:

  1. Die Unterhaltsbeiträge haben Auswirkungen auf der Einkommensseite der Eltern. Dabei ist insbesondere bei der Qualifikation der Finanzierungsströme Vorsicht geboten.
  2. Die festgelegte Obhut, also die Betreuungsanteile des jeweiligen Elternteils, hat Auswirkungen auf die Gewährung von Sozialabzügen.
  3. Ebenfalls sind die Betreuungsanteile bei der Bestimmung des entsprechenden Steuertarifs von Bedeutung.

(1) Unterhaltsbeiträge

Der Mechanismus ist im Grundsatz simpel: Der unterhaltsverpflichtende Elternteil kann die ausgerichteten Unterhaltszahlungen in Abzug bringen.[5] Im Gegenzug hat der Elternteil, welcher die Unterhaltszahlungen für das gemeinsame Kind erhält, diese als Einkommen zu versteuern.[6]

Als Unterhaltsbeiträge gelten gesetzliche Unterhaltsverpflichtungen. Die Verpflichtung ergibt sich aus dem Familienrecht im weiteren Sinne, d.h. aus den gesetzlichen Bestimmungen zur Ehe oder über das Kindesverhältnis. Bezüglich letzterem muss die Unterhaltsempfängerin jedoch mindestens die elterliche Sorge innehaben, wodurch auch gleich klargestellt ist, dass nur Unterhaltsbeiträge für minderjährige Kinder diesem Mechanismus unterliegen.[7]

Entscheidend für die Qualifikation ist die familienrechtliche Grundlage der Unterhaltsverpflichtung. Häufig ist die Unterhaltsleistungspflicht in einem gerichtlichen Urteil oder einer Vereinbarung festgehalten. Doch ist dies nicht zwingend. Zu denken ist etwa an eine mündliche Abweichung der Vereinbarung durch die Eltern (sog. formlose Anpassung) oder nicht verheiratete Eltern. Massgebend ist bloss, dass es sich um regelmässig oder unregelmässig wiederkehrende Leistungen handelt, die der Deckung des laufenden Lebensbedarfs des Kindes dienen.[8]

Die effektive Zahlung des Unterhalts muss nachgewiesen werden, was vor allem bei formlos festgesetzten oder abgeänderten Unterhaltsleistungen von Bedeutung ist.[9] Dabei muss es grundsätzlich zu einem Geldfluss von einem auf den unterhaltschuldenden Elternteil lautendes Konto auf ein auf den unterhalterhaltenden Elternteil lautendes Konto kommen.

Gemäss einem neuen Entscheid des Bundesgerichts vom 28. Mai 2021 können Zahlungen auf ein gemeinsames Konto nicht berücksichtigt werden. Der steuerrechtliche Mechanismus schliesst aus, dass Zahlungen des unterhaltsverpflichteten Elternteils auf ein Konto berücksichtigt werden können, über welches dieser frei verfügen kann. Im Übrigen muss im Zweifelsfall die tatsächliche Verwendung für den Unterhalt belegt werden, wobei der alleinige Zahlungsgrund «Beitrag zum Unterhalt der Kinder» nicht ausreicht.[10]

Anzufügen bleibt, dass die Unterhaltspflicht auch indirekt erfüllt werden kann, etwa durch Bezahlung von Krankenkassenprämien oder Schulkosten. Diese Auslagen werden ebenfalls steuerlich als Unterhaltszahlungen erfasst.[11]

Anders ist die Situation wiederum bei Kindern, welche bereits volljährig sind, ihre Erstausbildung (bis zum 25. Lebensjahr) jedoch noch nicht abgeschlossen haben. Die Unterhaltsleistungen des unterhaltsleistenden Elternteils an das volljährige Kind sind vom Kind nicht zu versteuern. Der leistende Elternteil kann diese aber auch nicht vom steuerbaren Einkommen in Abzug bringen.[12]

(2) Sozialabzüge

Im hier zu beleuchtenden Kontext ist nur der Kinderabzug zu beachten. Gemäss Gesetzeswortlaut steht dieser für jedes minderjährige oder in Erstausbildung stehende Kind zu, für dessen Unterhalt die steuerpflichtige Person sorgt. Dies ist erklärungsbedürftig:

Die erste Erkenntnis liegt darin, dass der Abzug für Unterhaltsbeiträge einen Kinderabzug ausschliesst. Damit soll eine doppelte Entlastung vermieden werden.[13] Somit steht der Kinderabzug grundsätzlich demjenigen Elternteil zu, welcher die Obhut innehat.[14] Mit Blick auf die familienrechtliche Unterhaltsberechnung steht der Kinderabzug damit grundsätzlich jenem Elternteil zu, welcher das Kind hauptsächlich betreut. Damit ergeben sich folgende Konstellationen:

  • Wenn ein Elternteil Unterhaltszahlungen für das gemeinsame Kind an den anderen Elternteil zahlt und damit steuerlich in Abzug bringt, dann kann der Elternteil, welcher die erhaltenen Unterhaltszahlungen versteuert, den Kinderabzug geltend machen.
  • Bei alternierender Obhut und ohne Leistung von Unterhaltsbeiträgen wird der Kinderabzug generell unabhängig der konkreten Betreuungsanteile bzw. dem Umfang der alternierenden Obhut hälftig geteilt.
  • Für den Fall, dass trotz alternierender Obhut noch Unterhaltsbeiträge geschuldet sind, kann der Kinderabzug ebenfalls immer nur von dem Elternteil beansprucht werden, welcher die Beiträge erhält und damit auch versteuern muss.[15]

Bei einem gemeinsamen volljährigen Kind in der Erstausbildung ist die Situation anders. In dieser Konstellation kann der Elternteil, der die Unterhaltszahlungen an das volljährige Kind leistet, den Kinderabzug geltend machen.

Speziell ist der Fall in jenem Jahr, indem das Kind in Erstausbildung volljährig wird. Gemäss neuster Rechtsprechung des Bundesgerichts vom 11. März 2019 wird dann für die Zwecke der direkten Bundessteuer eine sog. «pro-rata-temporis»-Ansatz festgelegt. Bis zum Tag der Volljährigkeit des Kindes hat der Elternteil, welcher Unterhalt für das Kind erhält, Anspruch auf den anteiligen Kinderabzug (Anzahl Tage/365). Ab diesem Tag hingegen der Elternteil, welcher der Unterhalt an das nun volljährige Kind bezahlt.[16] Viele Kantone folgen dieser Rechtsprechung auch für die Zwecke der Staats- und Gemeindessteuern.

Zusätzlich sind noch weitere Abzüge im Auge zu behalten:[17]

  • Abzug für Versicherungsprämien und Sparkapitalien stehen demjenigen Elternteil zu, welcher den Kinderabzug geltend machen kann. Unter Umständen ist er damit hälftig zu gewähren.[18]
  • Der Eigenbetreuungsabzug, welche einige Kantone für die Zwecke der Staats- und Gemeindessteuern kennen,[19] kann grundsätzlich von jenem Elternteil geltend gemacht werden, welches mit dem Kind zusammenlebt. Bei alternierender Obhut kann jeder Elternteil grundsätzlich die Hälfte des Abzugs geltend machen, wobei eine andere Aufteilung der Kosten von den Eltern zu begründen und nachzuweisen ist.

(3) Steuertarife

Gemäss den gesetzlichen Bestimmungen für die direkte Bundessteuer und die Staats- und Gemeindessteuern erhält der Elternteil mit der elterlichen Sorge, der mit dem Kind im gleichen Haushalt zusammenlebt und dessen Unterhalt zur Hauptsache bestreitet, den Elterntarif.[20] Damit steht grundsätzlich jenem Elternteil der Familientarif zu, welchem auch der Kinderabzug zusteht und mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt.

Umformuliert in die neue familienrechtliche Terminologie und die oben erläuterten Grundsätze erhält derjenige Elternteil, der die Obhut für das minderjährige Kind innehat, den Elterntarif. Somit stets der Elternteil, welcher den Unterhalt erhält. Der Elternteil, welcher Unterhalt bezahlt, wird stets zum Grundtarif besteuert.[21]

Vorsicht ist bei der alternierenden Obhut ohne Unterhaltszahlungen geboten. Dabei wird vermutet, dass derjenige mit dem höheren Einkommen mehr an den Unterhalt des Kindes leistet und daher dieser zum Familientarif besteuert wird und der andere Elternteil zum Grundtarif. Wird hingegen von den Steuerpflichtigen nachgewiesen, dass beide Elternteile den Unterhalt des Kindes zu gleichen Teilen tragen, so kommt derjenige Elternteil mit dem geringeren Einkommen in den Genuss des Familientarifs.[22]

Aufzupassen ist schliesslich bei volljährigen Kindern in Erstausbildung (bis zum 25. Lebensjahr), welche bei einem Elternteil leben bzw. mithin am auswärtigen Studienort nur einen steuerlichen Wochenaufenthalt begründen. Diesfalls kann der Familientarif von dem Elternteil beansprucht werden, welcher zusammen mit dem volljährigen Kind lebt. Hat das volljährige Kind jedoch bereits einen eigenen Wohnsitz begründet, so entfällt der Familientarif gänzlich.[23]

Zusammenfassung

Werden Unterhaltsbeiträge an ein minderjähriges Kind geleistet, so stehen der ermässigte Familientarif und der Kinderabzug immer dem Elternteil zu, welcher die Unterhaltszahlungen erhält und versteuern muss. Dies gilt unabhängig der Obhutsregelung und der Höhe der Unterhaltsbeiträge.

Werden keine Unterhaltsbeiträge entrichtet, so kommt grundsätzlich der obhutsberechtigte Elternteil in den Genuss des Kinderabzugs und des Familientarifs. Bei alternierender Obhut wird der Kinderabzug in den meisten Kantonen hälftig geteilt. Bei der Tarifordnung muss zwingend eine Zuordnung zu einem Elternteil erfolgen. Dabei ist vom Grundsatz auszugehen, dass derjenige Elternteil mit dem höheren Einkommen zum Familientarif besteuert wird.

Bei volljährigen Kindern (bis zum 25. Lebensjahr), die sich in Erstausbildung befinden, entfällt die Möglichkeit des Abzugs für Unterhaltsbeiträge. Der Familientarif und der Kinderabzug findet weiterhin Anwendung. Dabei ist Vorsicht geboten, kann in diesen Konstellationen doch der Familientarif einem Elternteil zustehen und der Kinderabzug dem anderen Elternteil.

Haben Sie Fragen?


[1] Zum Begriff und Inhalt der elterlichen Sorge vgl. Art. 301, Art. 301a, Art. 302 und Art. 303 ZGB.

[2] Art. 296 Abs. 2, Art. 298Abs. 1, Art. 298b Abs. 2 und Art. 311 f. ZGB.

[3] Art. 298 Abs. 2ter undArt. 298b Abs. 3ter ZGB.

[4] Bundesamt für Statistik (BFS), BFS Aktuell, Demos 1/2020, Scheidungen, S. 11 f. [hier abrufbar];siehe dazu auch die parlamentarische Initiative zur Förderung der alternierenden Obhut von NR Kamerzin, Geschäftsnummer 21.449 [hier abrufbar].

[5] Art. 33 Abs. 1 lit. c DBG; § 40 Abs. 1 lit. c StG/LU.

[6] Art. 23 lit. f DBG;§ 30 lit. f StG/LU.

[7] HUNZIKER/MAYER-KOBEL, N 18a und N 21e zu Art. 33 DBG, in: Zweifel/Beusch, Komm. DBG, 3. Aufl. 2017; vgl. auch Art. 296 Abs. 2ZGB:«Die Kinder stehen, solange sie minderjährig sind […]».

[8] Vgl. Urteil des VGer ZH vom 18.August 2004 E. 3, in: StE 2005 B 27.2 Nr. 28.

[9] Vgl. Urteil des VGer ZH vom 18.August 2004 E. 3, in: StE 2005 B 27.2 Nr. 28.

[10] Urteil des BGer 2C_380/2020 vom, in:iusNet vom 28. Mai 2021.

[11] HUNZIKER/MAYER-KOBEL, N 21e a.E. und zu den Naturalleistungen N 18b zu Art. 33 DBG, in: a.a.O.

[12] Vgl. Urteil des BGer 2C_905/2017 vom 11. März 2019 E. 2.1.3.

[13] BAUMGARTNER/EICHENBERGER, N 5 ff. zu Art. 35 DBG, in: Zweifel/Beusch, Komm. DBG, 3. Aufl. 2017 mit weiteren Hinweisen; vgl. auch Steuerbuch Luzern, § 42 Nr. 2 Ziff. 1.3 und Ziff. 1.4.

[14] Es ist anzumerken, dass das Steuerrecht die revisionsweise angepasste Terminologie des Familienrechts der elterlichen Sorge und der Obhut nicht übernommen hat. «Sorgen» im steuerrechtlichen Kontext bedeutet daher betreuen.

[15] BGE 133 II 305 E. 8.4.

[16] Urteil des BGer 2C_905/2017 vom 11. März 2019 E. 2.2 ff.; vgl. auch Steuerbuch Luzern, § 42 Nr. 2 Ziff. 1.2.2 und Ziff. 1.2.3.

[17] Kreisschreiben ESTV Nr. 30, Ehepaar- und Familienbesteuerung, Ziff. 14.3.2, 14.4.1, 14.5.2; Steuerbuch Luzern, § 40 Nr. 6Ziff. 1.1 und § 42 Nr. 4 Ziff. 24.

[18] Art. 35 Abs. 1 lit. g und Art. 35 Abs. 1bis DBG; § 40 Abs. 1 lit. g StG/LU.

[19] Die direkte Bundessteuer kennt keinen Eigenbetreuungsabzug, nur einen Fremdbetreuungsabzug; Art. 33 Abs. 3DBG; § 42 Abs. 1 lit. b StG/LU.

[20] Art. 36 Abs. 2bis DBG; § 57Abs. 2 StG/LU.

[21] Kreisschreiben ESTV Nr. 30, Ehepaar-und Familienbesteuerung, Ziff. 14.3.3 und Ziff. 14.5.3.

[22] BGE 141 II 338 E. 6.3.2;Kreisschreiben ESTV Nr. 30, Ehepaar- und Familienbesteuerung, Ziff. 14.4.2.

[23] Kreisschreiben ESTV Nr. 30, Ehepaar- und Familienbesteuerung, Ziff. 14.12.3.

Autoren
:
Livio Bucher
Viktor Bucher
Tags:
Einkommenssteuern
Scheidung